Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
06.01.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
6.1.1916

Heute abends reist der Chef nach Wien zu einer großen Ministerkonferenz, bei der er seine Auffassung über die Kriegsziele der Monarchie, speziell über die Frage der zu annektierenden Gebiete, vertreten will. Demgemäß ergingen auch an alle Beteiligten längere Noten über diese Absichten.

Ich vermute, dass der Montenegriner bald abblasen wird; die heute vorliegenden Nachrichten über die Verhältnisse im Lande lauten für ihn sehr traurig: Hunger und keine Zuschubsmöglichkeiten. Es ist aber auch für uns gut, wenn er sich selbst ergibt; denn unsere Aktion ist ganz merkwürdig: Schon seit 4 Tagen schießt man mit den schwersten Kalibern (auf Spatzen). Schade um die teure Munition…

Nach der heutigen Mittagsmeldung wurde bei der 61. ITD (südwestlich S.Martino) ein italienisches Gespräch aufgenommen, in dem von Angriffsvorbereitungen die Rede ist. Die Artillerietätigkeit an der küstenländischen Front war auch schon seit vorgestern nachmittags immer lebhafter. Trotzdem glaube ich, dass es sich nur um lokale Sachen handeln wird; es müsste wieder jener latente Zustand eintreten, wie er besonders der 2. Isonzoschlacht folgte.

Über die Kämpfe bei der 7. Armee liegen bereits die Erfahrungen vor. Das Trommelfeuer der Russen erfolgte im Raum Toporoutz - Rarancze durch 8 - 12, gegen das 6. Korps durch 4 - 5 schwere Batterien und entsprechende Feldartillerie. Die nach den neuen Weisungen ausgebauten Teile der Stellung bewährten sich sehr gut. Der Infanterieangriff begann überall schon während des Artilleriefeuers, indem die Infanterie sich langsam sammelnd gegen unsere Stellungen vorging. Nach Zerstörung der Hindernisse durch das Artilleriefeuer brach die Infanterie - in tiefer Gliederung rasch zum Sturm vor. Vor dem VI. Korps kam die Infanterie nicht bis zu den Hindernissen, da ihr Vorgehen von der alarmierten Infanterie und mit M.G. flankiert wurde. Die HH (Hochspannungshindernisanlage) wurde vollständig zerstört. Nördlich Rarancze führte die Wirkung des Artilleriefeuers zu großen Verlusten und zur Räumung der 1. Stellung. Wirkung unserer Artillerie war überall sehr gut. Herstellung der Erdhöhlen muss nicht durch technische Truppen, sondern kann auch durch Infanterie erfolgen. Der Angriff der Russen scheint vorüber zu sein.

Lese auch einen Bericht des Majors Franz über die Verhältnisse in Serbien. Nach diesem Bericht machen wir alles besser als die Deutschen; daher sind auch die Sympathien der serbischen Bevölkerung, die übrigens nur mehr aus Weibern, Greisen, Kindern besteht, auf unserer Seite. Andererseits gibt der Bericht aber doch zu, dass der Hass der Serben gegen uns weiter glimmt.

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