Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
19.01.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
19.1.1916

Nach den Meldungen, die ich einsehe, auf dem russischen Kriegsschauplatz nichts von Bedeutung. Interessant ist nur die Aussage eines bei der Heeresgruppe Hindenburg gefangenen russischen Obersten: Es soll nicht beabsichtigt sein, bis zum Frühjahr neue höhere Verbände aufzustellen; dagegen sollen die bestehenden auf Kriegsstand gebracht, sämtliche Infanterie Regimenter zu 4 Bataillonen formiert, die Ersätze länger ausgebildet, die M.G. verdoppelt, 100 neue, meist schwere Batterien und 36 Gasabteilungen aufgestellt werden.

Heute haben die russischen Angriffe gegen die 7. Armee wieder begonnen, nachdem gestern im Pressebericht das Ende der Neujahrsschlacht gemeldet wurde.

Appollonio ist von der Bocche zurück; er hat dort mehrere Gefechte gemacht und erzählt, dass der Widerstand der Montenegriner äußerst gering war. Es scheint wirklich schon vorher „gepackelt“ gewesen zu sein. - Mittags erfahre ich von Prich, dass 5 Gebirgsbrigaden herausgezogen wurden; eine davon geht bereits auf den russischen Kriegsschauplatz. - Christophori spricht davon, dass das VII. Korps durch ein anderes mit ruthenischen und böhmischen Truppen abgelöst werden soll. - Ich kann unter den jetzigen Verhältnissen nur den Dingen ihren Ablauf lassen; bin übrigens nach allen Äußerungen des Generals davon überzeugt, dass Conrad und er die italienische Offensive für das Frühjahr im Auge haben, dazu aber so lange nicht zu haben sein werden, als „oben“ noch eine Gefahr besteht. Jedenfalls ist eine Aussprache des Chefs mit Falkenhayn Grundbedingung für alles Weitere. Kageneck besuchte uns I - Menschen wieder, seit längerer Zeit zum ersten Mal, und spricht über die bevorstehende Versöhnung der beiden Chefs, der sicher eine Aussprache folgen wird. Er (Kageneck) sei sehr für eine Italienoffensive; mir ist es gar nicht angenehm, dass er (woher?) soviel über unsere Absichten weiß, denn er tratscht überall herum. - Abends höchster „Gasdampf“ in der R-Gruppe und ausnahmsweise lange Sitzung des Chefs (bis 11 Uhr). Von der 7. Armee ist eine sehr alarmierende Meldung gekommen, die sich aber größtenteils auf die von Zeynek persönlich auf dem Schlachtfeld gewonnenen Eindrücke gründen soll. Die russische 2. Schützen Division hat angegriffen. Der Feind drang mehrfach in unsere Stellungen ein und konnte erst durch sehr verlustreiche Gegenangriffe geworfen werden. Die ganze Stilisierung der Meldung ist derart, dass man wieder Ernst befürchten könnte, wenn man nicht schon wüsste, dass der Russe nicht Krieg führen kann! Immerhin dürfte es wieder an der nötigen Voraussicht (rechtzeitige Ablösung und Heranführung von Reserven) gefehlt haben. Nun geschieht alles mit „Gasdampf“; die 21. ITD fährt, weitere Reserven werden bereitgestellt und verschoben. General ist wütend und bringt dies auch in einem Hughesgespräch mit Zeynek (!) zum Ausdruck. Letzterer beruft sich immer wieder auf die rücksichtslose Menschenverschwendung der Russen und auf das Sperrfeuer ihrer Artillerie. - Gar nicht geschickt ist es, dass diese neuen Kämpfe im Pressebericht schon wieder als „Schlacht“ angekündigt wurden.

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