Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
11.01.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
11.1.1916

Heute gegen Mittag trafen die ersten Nachrichten über die Besitznahme des Lovčen durch unsere Truppen ein. Jedenfalls eines der größten Ereignisse dieses Krieges; zumindestens vom österreichischen Standpunkt. Groß durch die Leistungen unserer Truppen, die Präzision unserer Vorbereitung, groß auch in seinen Rückwirkungen auf den Balkan, Italien und die ganze Entente. Noch wird es zu klären sein, ob die Wirkung der Artillerie allein das unmöglich Scheinende möglich gemacht hat, oder Entmutigung, mangelnde Versorgung u.s.w. des Feindes, vielleicht sogar ein abgekartetes Spiel mitwirkte; für die Truppe unseres XIX. Korps gibt aber die physische Leistung allein ein glänzendes Zeugnis. Ich gestehe hier gerne, dass ich die Sache anders beurteilt, dass ich geirrt habe; Prich gab mir dies auch in nicht sehr taktvoller Weise zu fühlen, als ich auch heute noch bekannte, ich hätte die Chancen des Unternehmens für ungünstig beurteilt; natürlich wollen die Anderen, die sich geradezu in Beschimpfungen ergingen, von ihren früheren Ansichten nichts mehr wissen. Doch hier beginnt das rein Menschliche, das nicht Gegenstand dieser Vormerkungen ist.

Mittags sagt mir Christophori, bei Rarancze wieder seit 8 Uhr früh Trommelfeuer der Russen. - Heute lese ich nochmals den gestern beantworteten Vorschlag Falkenhayns wegen der Offensive Linsingens. Aus diesem Vorschlage scheint mir eine gewisse Besorgnis zu sprechen, die vielleicht dadurch hervorgerufen worden sein kann, dass Falkenhayn über die russischen Angriffe anders orientiert wurde oder auch, dass er der russischen Aktion größere Bedeutung beimisst - vielleicht auf Grund politischer Nachrichten. (Denn sein Telegramm schlägt etwa folgende Direktive vor: „Um die ostgalizische Front vom Massenangriff russischer Kräfte zu entlasten - u.s.w.“. - Die russischen Angriffe dauern fort, führten zu einem vorübergehenden Einbruch, wurden aber sonst vollständig abgeschlagen.

An unserer Front nichts Neues. Es mehren sich die Nachrichten, dass die Italiener besonders eifrig an der Ausgestaltung ihrer Stellungen arbeiten und dass vor dem Frühjahr keine größere Aktion geplant sei. Daran glaube ich auch. Jedoch darf man sich auf die Logik im Kriege nicht verlassen; denn warum greifen zum Beispiel die Russen jetzt an? Glauben sie doch noch Rumänien mitreißen zu können?

Abends sehe ich, dass die Lovčen - Sache nun konsolidiert ist; man geht auch schon an das Herausziehen der schweren Artillerie. Über die Haltung der Montenegriner noch nichts Näheres. - Die Operationen gegen Saloniki dürften am 24. beginnen, da 2 ID und1 KD der bulgarischen 3. Armee von ihrer Heeresleitung Befehl erhielten, am 23. (mit anderen deutschen Truppen) bei Bitol - Prilep operationsbereit zu sein. - Die Ereignisse am Balkan überstürzen sich. Heute abends übergab ein montenegrinischer General mit einem Oberleutnant als Parlamentär bei den Vortruppen der 47. ITD das Anbot eines 6tägigen Waffenstillstandes. Natürlich wird unsererseits die bedingungslose Unterwerfung des montenegrinischen Heeres gefordert.

 

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