Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
08.02.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
8.2.1916

In aller Früh schon begrüßt mich Kageneck mit der Mitteilung (ich möge aber ja nichts verraten), er habe aus guter Quelle erfahren (nicht aus den gewöhnlichen Zeitungsquellen), dass es in Italien mit der Stimmung sehr schlecht stehe. Schuld daran seien die Mannschaftsbeurlaubungen und die Ereignisse in Albanien. Dann fragt er, ob ich denn noch immer so skeptisch sei. Ich sage, dass ich die Verhältnisse in Italien genau kenne und ganz gut wisse, dass die Stimmung deprimiert sei. Im übrigen trage ich jetzt bis auf weiteres die Maske des Beleidigten wegen eines Vertrauensmissbrauches. - Früh telefoniere ich mit Salis; 1) Wegen besonderer Geheimhaltung der jetzigen Kommandostücke. Dafür wird gesorgt werden. 2) Wegen. des deutschen Verbindungsoffiziers. Der ist jetzt marod, ich erfahre aber, dass in Bozen ein deutscher. Nachrichten Offizier sitzt! Natürlich wurden auch Maßnahmen getroffen, dass dieser nichts erfährt. 3) Sage ich verschleiert, es wäre für uns zunächst von Wert, zu wissen, wie das anbefohlene Herausziehen von Kräften erfolgen soll. Und da sagt mir Salis zu meinem nicht geringen Schrecken, dass „einer“, und zwar Krauss selbst demnächst (das heißt wahrscheinlich schon morgen) hieher kommen will. Das kann natürlich nicht geschehen. Spreche sofort mit General darüber. Er findet anfänglich nichts daran, sondern hegt nur Besorgnisse, dass Krauss mit seiner Beredsamkeit den Chef mit anderem hypnotisieren werde, eventuell auch mit der Idee einer Isonzooffensive. (Obwohl ich weiß, dass dies nicht der Fall sein dürfte, widerspreche ich nicht). Nach längerer Besprechung, stimmt General zu, dass ich eine Notiz an Salis abgebe, die den Besuch Krauss höflich aber bestimmt ablehnt und auf schriftliche Darlegung der Marburger Auffassung hinweist.

Am Gang spricht mich Chef an. Er meint, ob jetzt nicht die Italiener eine Offensive gegen Südtirol versuchen würden; es sei dies das Logischste und auch verschiedene Nachrichten, namentlich über die erhöhte Befestigungstätigkeit an einzelnen Punkten der Isonzofront deuten darauf hin. Ich werfe ein, dass die Kräfte zu einer solchen Offensive vorläufig, da die „5. Armee“ noch nicht existiere und auch nur Schund sei, lediglich wieder von der Isonzofront genommen werden könne. Chef glaubt das auch und stimmt zu, als ich meine, wir könnten uns das nur wünschen! - Bei der Gelegenheit bringe ich an, dass es jetzt hauptsächlich auf die Zudisponierung der Balkandivisionen und der 3. Division ankomme. Als ich noch bemerke, ich hätte wenig Hoffnung auf die Türken, sagt Conrad, er auch, aber man dürfe trotzdem nichts unversucht lassen.

Ich trage noch einen Passus aus dem Falkenhayn-Telegramm über die Türken nach, der als Muster diplomatischer Sprache gelten kann. „Schwierigkeit der Annahme des Angebotes liegt in den Transportverhältnissen. Donauweg ist vollkommen mit Getreide belegt. Auf der Bahn Nisch - Sofia - Adrianopel stehen der deutschen Verwaltung nur 2 Züge in jeder Richtung täglich zu. Auf ihnen sind der ganze Bedarf der Türken an Material aus Deutschland und die Rohstoffe aus der Türkei zu befördern. Werden sie mit Truppen belegt, so müssen die Material- und Rohstofftransporte aufhören.“ Ich lasse diese Frage überprüfen, bitte aber auch dazu Stellung nehmen zu wollen…

Vormittags übergebe ich Hranilović eine falsche Hughesdepesche, die er den Italienern in die Hände spielen wird. Zunächst ein Lockköder: Unverbindliches Gespräch über ein Cadorna-Communiqué; eine Andeutung, dass es jetzt wichtig ist, auch kleine Vorteile zu behaupten und schließlich eine Mitteilung über 10 Kriegsbrückenequipagen „die bereits rollen“ Hoffentlich fängt es - und nächstens mehr. - Mittags beantrage ich eine Verschärfung des defensiven K-Dienstes ab 15. Februar; von diesem Zeitpunkt an dürften bereits stärkere Transporte rollen. General sagt mir, als ich ihm melde, dass wir für die Türken 10.000 Schuhe haben, dass nach den Kalkül Ratzenhofers täglich etwa 2 Züge gebracht werden können (1 Sofia - Niš, 1 Sofia - Lom, dann weiter per Schiff mindestens bis Kladovo, vielleicht bis Orsova.) Die Schwierigkeiten liegen hauptsächlich auf den bulgarischen Strecken; man wird aber trachten, durch ein Telegramm an den Attaché Erleichterung zu schaffen. General ist der sehr richtigen Ansicht, dass man nur den Zuwachs an Gewehren rechnen müsse; alles andere ist Nebensache und kann geordnet. werden.

Abends spreche ich verschleiert am Telefon mit Waldstätten. Ziller ist eingetroffen und bereits nach Trient weitergereist. Die Geheimhaltung vor dem deutschen Nachrichtenoffizier dürfte auf große Schwierigkeiten stoßen. - Abends noch eine längere interne I - Debatte über Ausnützung der Eisenbahn bei den Materialtransporten und Truppenbewegungen. Ich vertrete den Standpunkt und werde ihn auch zur Geltung bringen, dass die von der Eisenbahn angegebenen Transportmöglichkeiten voll ausgenützt werden sollen. Kann die Quartiermeisterabteilung mit Pflug zusammen am Anfang nicht genug Züge bringen, so müsse eben nachgeholfen werden, indem man Train- und eventuell sogar Truppenzüge bringt. Letzteres natürlich so spät als möglich! Werde diese Sache morgen mit Etappe und Eisenbahn besprechen.

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