Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
06.02.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
6.2.1916

Vormittag Besprechung mit Ziller, der anscheinend über seine Aufgabe recht erfreut ist und an sie ruhig und ohne irgend welche Schwierigkeiten zu machen, herantritt. Auch mit Ratzenhofer spreche ich wegen des sofortigen Weitertransportes der nun von Ferizović abfahrenden (2 Züge täglich!) 57. ITD. Mein ganzes Streben muss in der nächsten Zeit dahingehen, diese und die 59. ITD um jeden Preis nach Tirol zu bekommen. Wenn diese Divisionen auch nur „tröpfeln“, so habe ich sie doch und gebe sie dann nicht so leicht los. Komme auch zu Mittag bei General auf diese Frage zu sprechen; er ist nicht grundsätzlich abgeneigt, will aber doch warten bis das „erste Paarl“ beisammen ist. - Wie ich höre, sandte nun Falkenhayn bereits ein Telegramm, das die Ablösung der deutschen Divisionen bei Linsingen fordert. Will darüber nicht viel schreiben, da ich den Originaltext noch nicht gesehen habe. Ich glaube aber, dass die Dinge nun folgenden Lauf nehmen werden: Zuerst immer dringendere Forderungen nach diesen Divisionen, dann eine Absage (auf Bestellung) der Türken, alles in der Tendenz, dass unsere 4 vom Balkan kommenden Divisionen auf den russischen Kriegsschauplatz gehen. Hoffentlich sind wir aber ebenso schlau und fallen auf diese Notschreie nicht hinein; zumal wir hier keine Ahnung haben, was eigentlich in Frankreich los ist. Natürlich, wenn solche Schlappschwänze beim Deutschen Hauptquartier sitzen: der Parfumgeneral und die Stangensalami! - Ich würde nun zuerst dringend die Einhaltung der Versprechung wegen der Türken fordern. Bin übrigens gesonnen, wenn nötig auch einen bevorstehenden italienischen Angriff auf Südtirol zu erfinden, zu dessen Abwehr dann Divisionen gefahren sein werden, ohne dass die Deutschen eine Ahnung haben. Freilich ein unleidlicher Zustand dieses Versteckenspiel, diese Unaufrichtigkeit; aber je mehr sich der Weltkrieg dem Finish nähert, desto mehr muss jeder seine Interessen wahren. Und ich glaube, dass die Deutschen entschlossen sind, darin eventuell soweit zu gehen, dass sie die Italiener auf die aus Südtirol drohende Gefahr aufmerksam machen. Abends frage ich General wegen der Türken. Er sagt, es sei bisher nichts gekommen, man werde noch bis 8. warten und dann urgieren; er hat aber nicht den Eindruck, dass Falkenhayn die Sache hintertreiben will; es könne vielmehr längere Zeit dauern, bis die Angelegenheit zwischen dem betreffenden Deutschen und Enver geordnet ist. Auf meine Anregung, die 57. und 59. Division möglichst bald fahren zu lassen, damit das VIII. Korps zusammenkommt, ist der General schon eingegangen; er wird morgen dem Chef des Feldeisenbahnwesens die erforderlichen Befehle erteilen. Die Anforderung Falkenhayns wegen der beiden Divisionen Linsingens wird zunächst verzögernd beantwortet werden; gleichwohl wird die 53. ITD, die bereits bei Brod auszuladen beginnt, auf den russischen Kriegsschauplatz fahren.

Heute große Aufregung wegen eines demnächst herauskommenden Befehles, dass alle Generalstäbler zur Truppe müssen; der Befehl soll direkt von Conrad ausgegangen sein. Es soll sich um eine 2 - 4wöchige Zuteilung handeln; dass ein Kommando zu führen ist, sei nicht direkt gesagt; jedenfalls steht die Aufregung über diesen Befehl in keinem Verhältnis zur Sache; sie ist aber für unsere Verhältnisse sehr bezeichnend.

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