Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
13.12.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
13.12.1916

Heute in den Morgenblättern die Friedenskundgebung. Wenn ich Zeit finde, lege ich meine Gedanken darüber noch heute nieder, um später einmal mein Urteil nachprüfen zu können.

Laut einer Carlotti-Depesche vom 4. haben die von Trepow in der Duma Sitzung wiederholten Bekräftigungen des unerschütterlichen Willens des Landes, den Krieg bis zum vollständigen Siege fortzusetzen, die Aufforderung an Duma und Nation zur Vereinigung aller Kräfte, die Versicherungen über die Zukunft Polens, die Mitteilung der internationalen Vereinbarungen über Konstantinopel und die Meerengen lebhaften Beifall gefunden.

Mittags sagt mir Metzger, ich möge über die Eventualität eines Waffenstillstandes, der vielleicht von den Ententemächten vorgeschlagen werden könnte (!?), nachdenken. Er erwähnt dabei auch die Festsetzung einer Demarkationslinie (zum Beispiel Isonzo). Weiters sagt er, dass unsere Bedingungen gegenüber Italien an der küstenländischen Front den Status quo, an der Kärntner und Tiroler Front die bekannten Grenzkorrekturen enthalten. Nach meiner Ansicht ist es da ganz ausgeschlossen, dass Italien auch nur in eine Konversation eingeht, wie überhaupt die ganze Aktion, je mehr man darüber nachdenkt, den Eindruck eines platonischen Versuchs macht. Der Krieg ist noch nicht reif; und ich halte noch immer dafür, dass zuerst eine Entscheidung fallen muss, dass eine oder die andere Großmacht niedergerungen sein muss, bevor man an einen Frieden denken kann.

Mittagsresümee: Bei 5. Armee nachmittags normales mäßiges Artilleriefeuer; gestern abends trat wieder Regenwetter ein. Nachts Sturm und Regen, geringe Gefechtstätigkeit. - Bei 10.Armee und Heeresgruppe Ruhe, andauernd Schneesturm, Lawinen. - Das italienische 4.AK. hat neuerdings allen Radiostationen das Verbot eingeschärft, österreichisch-ungarische Depeschen aufzunehmen: Offenbar wegen Friedensangebot und Armeebefehl. - Heute Oberst Brosch von der deutschen Westfront (ziemlich verhungert!) zurückgekehrt. Studierte dort Verwendung und Ausbildung der Sturmbataillone, die nun auch an der Südwestfront eingeführt werden dürften.

Abendresümee: 5. Armee bei strömenden Regen und heftigen Wind mäßige Gefechtstätigkeit. - Nur im Raum 208 einige feindliche Minenwerfer in Tätigkeit, die von unserer Artillerie bekämpft wurden. - Bei 10.Armee verursachen die noch immer andauernden Schneestürme und Lawinenabgänge wieder großen Schaden und Verluste (100 Mann, darunter 40 Tote). In Tirol keine Kampftätigkeit. Das ungewöhnlich schlechte Wetter hält an: In den Tälern strömender Regen, über 1200 starker Schneefall, in den höheren Lagen orkanartiger Schneesturm, in den Ebenen und Tälern auch Überschwemmungen. Viele Lawinen, Drahtverbindungen mehrfach gestört.

Abends erzählt man hier, dass in England die Friedenskundgebungen vollständig abgedruckt, in Frankreich und Italien aber unterdrückt wurden.

Chef fährt heute nach Wien. - Das Wetter soll der Teufel holen; es bringt mich noch um meinen Urlaub!

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