Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
01.12.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
1.12.1916

Gestern war Chef in Pleß. Es dürfte sich wohl um die Stellung des Kaisers bei dessen Anwesenheit in Teschen gegenüber der OKL handeln. Auch wurde gestern ein besonders geheimes Stück nach Wien expediert, das nun aber wegen einer großen Dammrutschung bei Göding nicht rechtzeitig angekommen ist. Auch auf der Strecke Wien - Budapest ein bedeutendes Eisenbahnunglück bei Bicske; Thallóczy dabei umgekommen.

Deutsche bekunden ein auffälliges Interesse für den italienischen Krieg; heute mittags teilte Rittmeister Wallenberg mit, das deutsche Auswärtige Amt habe große Besorgnis um die küstenländische Front und fragte an, welche Verstärkungen in letzter Zeit dorthin gegangen seien. Ich gebe natürlich keine Zahlen, sondern weise Wallenberg an die OKL, die doch unsere Skizzen habe und ausreichend orientiert ist.

Mittagsresümee: Durch intensive Fliegerbeobachtung unterstützt, nahm das feindliche Artilleriefeuer gestern nachmittags an Lebhaftigkeit zu; stellenweise hatte es bereits den Charakter des Wirkungsschießens. Unsere Artillerie brachte wieder Munitionsdepots zur Explosion. An einzelnen Stellen hielt der Geschützkampf aller Kaliber auch nachts an. Zusammenstellung über die Menschenreserve Italiens ergibt, dass für das Frühjahr noch rund, ½ Millionen Mann vorhanden sein werden, wenn die Dienstpflicht bis zum 46. Lebensjahr verlängert wird und die 18jährigen eingereiht werden. Durch Ausdehnung der Dienstpflicht bis zum 50.Lebensjahr, weitere Nachmusterungen und Einreihung des Jahrganges 99 (17jährige) kann die Gesamtzahl der Eingezogenen auf 7,400.000 (das theoretisch errechnete Fünftel der Bevölkerung) gebracht werden. (Bisher eingezogen 4.2 Mann, dazu 1.5 Million = 5.7).

Abends finde ich wieder einmal Gelegenheit, über den Fall einer Offensive gegen Italien zu sprechen. Metzger meint, es sei sehr erwünscht, dass sich die Deutschen mehr für den italienischen Kriegsschauplatz interessieren; denn etwas müsse vor Kriegsschluss noch gegen Italien gemacht werden, und dies sei doch nur mit deutscher Hilfe möglich.

Heute liegt ein wichtiges Carlotti-Telegramm vor, dessen wesentlicher Inhalt sei, dass Frankreich und England sich außerstande erklärt haben, gegen Deutschland einen Erfolg zu erzielen; dagegen sei Russland zu einer neuen großen Offensive unter der Voraussetzung bereit, dass es die entsprechende Artillerie und Munition erhalte, was die Westmächte natürlich zusichern werden. Es ist daher mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass sich nach Erledigung der rumänischen Sache, oder vielleicht aus dieser heraus, ein großer Feldzug gegen Russland entwickeln wird, in der Tendenz, diesen Staat niederzuzwingen und damit den Krieg zu beenden. In diesem Falle würde sich die italienische Sache, schon auf Grund unserer Drohungen, oder aber mit den Waffen, von selbst erledigen.

Bei 5. Armee beiderseitiges Einschießen mit allen Kalibern unter Fliegerbeobachtung. Sehr lebhafte feindliche Fliegertätigkeit. Einige Ortschaften im Wippachtal wurden durch ein feindliches Flugzeuggeschwader erfolglos mit Bomben belegt. Aus sonst guter deutscher Quelle eine Nachricht, dass die Italiener einen engbegrenzten Stoß auf Jamiano vorbereiten. Da dies große Wahrscheinlichkeit hat, wird die Nachricht an das 5.AK. weitergegeben.

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