Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
18.04.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
18.4.1916

Vormittags wird der Pressebericht über die Kämpfe im Suganatal beantragt: „ Im Suganatal, wo die Italiener in letzter Zeit durch wiederholte Angriffe unsere Vorposten belästigt hatten, wurde der Feind durch einen Gegenstoß aus seinen vorgeschobenen Stellungen zurückgeworfen. Er ließ dabei 11 Offiziere, 600 unverwundete Gefangene und 4 MG in unseren Händen.“ Hierauf fragte ich bei Seiller nochmals an, ob volle Klarheit darüber herrsche, dass der Kampf für uns durchaus günstig und ohne jede partielle rückgängige Bewegung verlief, die aus einem Vergleich der ersten Meldung mit den folgenden vermutet werden könnte. Seiller antwortete, der Kampf sei durchaus günstig verlaufen, wie das 11. AK. sagte, „wie Butter“. „Die Italiener waren vollkommen überrumpelt und konnten erst in ihrer Hauptstellung Fuß fassen, die von uns nicht angegriffen wurde. Zu einem hartnäckigen Widerstand kam es nur gestern nachmittags bei Votto, wo gestern und heute nachts je ein Gegenangriff abgewiesen wurde. Jetzt liegen sich die beiden Linien dicht gegenüber.“ Wie Seiller weiter sagt, hat das 11. AK. bisher sehr schlecht und ungenau gemeldet und muss fort getreten werden; worauf ich erwiderte, das sei wirklich notwendig; es denke niemand daran, den Leuten vorne dreinzureden, aber auch nach allen Erfahrungen, besonders über Presseberichte, ist es unbedingt notwendig, dass man über Kämpfe bald klar sieht. Deshalb wird man von hier aus sehr dankbar sein, wenn diese Klarheit von Haus aus gefordert wird. - Gegen den Col di Lana-Raum richtet sich eine größere feindliche Aktion, mit der heftiges Artilleriefeuer an anderen Stellen der Tiroler Ostfront einhergeht. Gestern abends steigerte sich das italienische Artilleriefeuer gegen den Col di Lana zum Trommelfeuer; nach Mitternacht schritten die Italiener gegen die Spitze und die Stellungen beiderseits zum allgemeinen Angriff. Dieser wurde abgewiesen; später jedoch gelang es dem Feind, unsere Stellungen auf der Westkuppe an mehreren Stellen zu sprengen und dort einzudringen. Gegenangriffe scheiterten; der Kampf dauert fort. Die Lage auf der Ostkuppe ist noch nicht geklärt, doch dürfte sie heute früh noch von uns behauptet worden sein. Neuerlicher Gegenangriff auf die Westkuppe, der tagsüber Artilleriefeuer vorbereitet wird, ist für kommende Nacht beabsichtigt. Die Schneehöhen im Angriffsabschnitt sind beträchtlich gesunken; sie betragen im Maximum an einzelnen Punkten des Folgariaplateaus noch bis zu 1 m. Der Befehl, dass sich die 11. Armee über die den Angriffsbeginn beeinflussenden Verhältnisse eingehender zu äußern hat, geht in den ersten Nachmittagsstunden ab. - Bei 5. Armee etwas regere Tätigkeit des Feindes; unser Demonstrationsmarsch wird fortgesetzt. Was die Beurteilung der feindlichen Situation betrifft, verdient hervorgehoben zu werden, dass die vorgestern im Suganatal gemachten Gefangenen bis auf 2 jenen Truppen angehören, die schon seit längerer Zeit als dort befindlich angenommen wurden. - Wurde bisher angenommen, dass der Feind unseren Angriff erwartet und umfassende Gegenmaßnahmen, namentlich in der Richtung des Suganatales trifft, so muss es nun auffallen, dass er sich vollständig überraschen ließ und dass die Gefangenen nichts über Verstärkungen wissen. Von den anderen Kriegsschauplätzen höre ich jetzt begreiflicherweise nur wenig. Auf dem Balkan noch immer Meinungsdifferenz zwischen Conrad und Burián, welch letzterer noch an die Schaffung eines selbständigen albanischen Staates denkt. Conrad hält, wie ich einer der neuesten Noten entnehme, diese Idee schon deshalb für absurd, weil jetzt nicht weniger als 4 Staaten Truppen in Albanien haben: Wir, die Bulgaren, die Italiener und die Griechen. Das Hinausjagen der Italiener aus Valona (Vlora) erachtet Conrad für ein Gebot der Selbsterhaltung der Monarchie; da wir es nicht allein können, müssen wir die Hilfe der Bulgaren in Anspruch nehmen. Die Schaffung einer albanischen Miliz (mit eigener Fahne, besonderem Eid, Löhnung wie unsere Soldaten) ist bereits eingeleitet.

Abends größere Konferenz, anscheinend politischen Inhaltes, bei Metzger (Chef, Slamecka). Nach den Abendmeldungen leider wieder schlechtes Wetter, als wollte der Heilige Petrus verhindern, dass es zu Ostern losgeht. Auch auf den Höhen im Angriffsabschnitt leichter Schneefall, in den höheren Gebirgen Tirols und Kärntens überall Schneetreiben und Schneestürme. Dieses Wetter kommt uns übrigens, so hoffe ich, im Col di Lana Abschnitt zugute. Unsere Aktion zur Wiedergewinnung der Spitze hat schon heute begonnen. Das Wetter beeinträchtigt sehr die Gefechtstätigkeit. Im Suganaabschnitt nahmen unsere Truppen ein Frontstück nördlich Votto; dort ist also noch nicht volle Ruhe eingetreten. - Die Nachrichten über den Feind lauten verhältnismäßig beruhigend; es ist möglich, dass die Italiener entweder noch nicht die Größe unseres Angriffes erkannt haben, oder dass sie sich diesem ohne Zusammenfassung gleich starker Kräfte gewachsen fühlen. (Aus einem erbeuteten Befehl des italienischen V.K.K. Ist unzweifelhaft zu ersehen, dass die Italiener am 22. März über den Umfang unserer Maßnahmen in Südtirol noch im unklaren waren. Aber auch die Aussagen eines Überläufers der Brigade Salerno am Plateau von Lavarone, der von einer Ablösung der Brigade Ivrea, die an die Isonzofront abgehen soll, sprach, lassen zumindestens den Schluss zu, dass die italienischen Truppen im Raum unseres Hauptangriffes bis vor kurzem nichts Besonderes erwarteten. Das Auftauchen der Brigaden Salerno und Modena vor dem Plateau von Lavarone lässt sich in den Rahmen der bekannten Austauschaktion zwischen Truppen der Tiroler und Isonzofront einfügen. Zur feindlichen Artillerie in unserem Angriffsabschnitt sollen bisher nur 6 Stück 28 cm französische Haubitzen, westlich Campomolon in Stellung getreten sein.

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