Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
11.04.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
11.4.1916

Heute liegt mir die Materialsituationsmeldung der 11. Armee vom 1.4. vor. Der Verpflegsstand beträgt (fast genau) 300.000 Mann, 92.000 Pferde. - An Kommunikationen wird großzügig gearbeitet. Nach Wegnahme der ersten Stellung werden 4 Straßenstücke in einer Länge von 2 - 4 km für Autos (teilweise auch für schwere Lastfuhrwerke) zu machen sein. - Die Hauptsorge der Qu.Abt.11 betrifft die Staffelfrage. Die Armee verfügt nur über 54 Staffel, das ist (wenn man pessimistisch, wie das AK. die von Südtirol übernommenen Kräfte und die schwere Artillerie als 3 Divisionen einrechnet und auch schon die ersten Abgänge berücksichtigt) 4 – 4 ½ Staffel pro Division. Ich halte dafür, dass das für das Nächste ausreicht; denn vorerst gilt es einen kurzen Ruck bis zu den „ersten Zielen“ zu machen, das sind etwa 15 - 20 km. Dann müssen die fehlenden Straßenstücke gebaut werden, schon damit die schwere Artillerie weiterkommt; sind diese aber fertig, so kann wieder der Autoverkehr einsetzen. (Heute besteht ja schon eine Basis von über 100 Divisionstagen auf den Plateaus).

Die größte Kalamität ist der Pferdemangel, der sich bei der Artillerie wie bei den Trains schon empfindlich fühlbar macht. Leider wurde diese Sache nicht rechtzeitig in die Hand genommen.

Mittags: Der Feind setzt seine Anstrengungen gegen Riva beharrlich fort, möglicherweise um uns zu verleiten, neue Kräfte zu zeigen. Die von den Italienern genommenen Gräben südlich Sperone wurden gesäubert, jedoch nicht mehr besetzt. Gestern abends gelang es dem Gegner, in unsere dortige Stellung an der Defensionsmauer einzudringen; ein Gegenangriff einer Kompagnie scheiterte. Wir haben im ganzen Abschnitt Riva (zwischen Gaverdina und Biaena) 18 km Frontraum nur 6 Bataillone und 700 Standschützen.

Bei der 5. Armee wurde das befehlsgemäß eröffnete Artilleriefeuer vom Feind relativ wenig erwidert. Alle Stellungen der Italiener sind dicht besetzt; vor Plava erwarteten sie erwiesenermaßen einen Nachtangriff.

Nach den Abendmeldungen unterliegt es keinem Zweifel, dass die Italiener nun größere Gegenmaßnahmen an unserer Angriffsfront treffen: Erhöhte Bautätigkeit, Ausschaufeln der Verteidigungslinien, lebhafter Train und Autoverkehr, Feststellung von Trainlagern. Kundschafternachrichten sprechen auch von größeren Truppenversammlungen in allen möglichen rückwärtigen Räumen; dagegen behaupten die Nachrichten von der 5. Armee, dass dort alle Stellungen dicht besetzt sind. Manche dort festgestellten Truppenbewegungen können eher als Märsche zur Front gedeutet werden. Und im Vrata - Vrsić Abschnitt wurde sogar ein neues, von der Tiroler Westfront her verschobenes Alpini Regiment festgestellt.

Im Angriffsabschnitt ist die ganze schwere Artillerie, 72 Batterien in Stellung; Pflug wird übrigens noch einige aus dem Hinterland zusammenbringen. Dazu 97 Feldbatterien: Wir sind also wirklich beisammen und es wäre Zeit, dass der Pfropfen einmal losgeht. Recht unangenehm ist es auch, dass an der Verratsgeschichte doch etwas dran ist. Am letzten Märztag desertierte ein Landsturm-Sappeurfeldwebel (anscheinend ein Ungar, Vaja) , der immerhin einige Kenntnis von der Artillerie und einigen sonstigen Vorgängen im Angriffsraum gehabt haben dürfte. - Ich will noch die morgige Schneemeldung abwarten und dann wieder einmal anklopfen. Das ist keine Nervosität; denn wenn der Angriff selbst am 20. beginnen sollte, so müssten die großen Truppenbewegungen am 16. einsetzen und morgen ist der 12., daher müsste spätestens von morgen an in 3 Tagen befohlen werden.

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