Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
29.09.1915
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
29.9.1915

Wie ich heute früh ersah, trifft die Nachricht von der Einstellung der Offensive Linsingen's nicht ganz zu. Er befahl nur dem nördlichen Flügel seiner Heeresgruppe in der Linie Czernysz - Berestiany stehen zu bleiben, bis die Gruppierung hinter diesem Flügel in Ordnung ist und die Verhältnisse vor der (nördlich anschließenden) Kavallerie, die die russische 77.ITD gegenüber hat, geklärt sind. Die 4. Armee hat über die Höhen östlich der Putilowka zunächst nicht vorzugehen. Nach meiner Auffassung bedingt dies nicht, dass die 4. Armee sofort diese Höhen nimmt; L. wollte sie nur gebremst haben; dann sollte aber auch die 1. Armee mittun. Wie mir Buzek, der Inspektion hat, erzählt, wurde gestern bis 1h nachts über den Entschluß gedoktert, ob man den Angriff der 4. und 1. Armee einstellen solle. Conrad schwankt zwischen den Aussichten eines Erfolges und der Erkenntnis, dass das Instrument schon unverläßlich sei, hin und her. Zuletzt meinte Christophori, man könne wenigstens die Artillerievorbereitung auslaufen lassen. Da schlug es 1 Uhr und Conrad sagte, jetzt käme der Befehl zum Einstellen ohnedies zu spät; und er unterschrieb diesen schon fertigen Befehl nicht. - Christo. erzählt mir vormittags, Slam. habe an diesem Entschluß Schuld; Christo. habe seine Ansicht, den Angriff einzustellen, nicht vertreten können, da er Metzger das Wort gegeben habe, nicht gegen die Offensive zu wirken. - Metzger kommt vormittag zurück. Er ist mit meinen Direktiven einverstanden; das heißt selbst von der Notwendigkeit einer ruhigeren, geordneten. Kriegführung überzeugt. Bin neugierig, was Chef dazu sagt. -

 

Von unserem Attaché in Sofia liegt ein Telegramm vor, das geeignet ist, Mißtrauen in Bulgarien zu erwecken. Der bulgarische Attaché hat berichtet, dass die griechische Mobilisierung gegen Bulgarien gerichtet sei und, dass 150.000 Mann der Entente Griechenland „unterstützen“ werden. Die Heeresverpflegung und Mobilisierung Bulgariens ging nicht so rasch vor sich, wie man annahm; kurz, es sei dringend erwünscht, an der Donau-Strecke rasch einen erfolgreichen Schlag zu führen… Von hieraus ergeht wieder ein Telegramm an Falkenhayn, das ihn auf diesen Bericht aufmerksam macht und energische Einwirkung auf Griechenland und Rumänien erbittet. - Nachmittags beim Rapport, der erst gegen 3 Uhr aus ist, weil Conrad beim Marschall geladen war, wird der Entschluß zum Einstellen des Angriffes der 4. und 1. Armee gefaßt und endlich ein diesbezüglicher Befehl erlassen. Natürlich noch ziemlich verklausuliert, spät aber doch…… - Kageneck kam von Berlin zurück. Er erzählt mir, dass man im Auswärtigen Amt noch nicht schlüssig sei, ob man es in Zukunft mit Russland oder mit England zu halten habe; er ist sehr erstaunt, als ich meinen (von den jetzigen Ereignissen losgelösten) Sympathien gegenüber dem Kulturvolk der Engländer Ausdruck gebe. Im übrigen herrsche in Berlin volle Zuversicht. Die Verluste allerdings seien sehr schwer; auch seien alle Leute, die in den vordersten Linien übrig blieben, blödsinnig oder verrückt geworden durch dieses Trommelfeuer. - Abends besucht mich Hauptmann König aus Pleß. Er orientiert sich über die Lage; wir sprechen auch über eine künftige Offensive, die er sich natürlich über den Isonzo vorstellt. Er ist übrigens meinen Ausführungen über unsere Absichten (falls der Angriff nicht in der schlechtesten Jahreszeit erfolgen müßte) sehr zugänglich. Es scheint, dass man in Pleß wenigstens intern schoh darüber gesprochen hat, dass nach den Serben die Italiener darankommen könnten...... - König erzählt auch viel von dem Massenangriff; das übereinstimmende Urteil in Pleß und Mesières geht dahin, dass die Franzosen und Engländer ihren jetzigen Angriff ganz großartig vorbereitet hatten. Alles Frühere war nur ein Kinderspiel dagegen. -

Der Befehl an die Südwestfroht, der zu ruhigem Verfahren beim Angriff vorbereiten soll, wird vom Chef restlos unterschrieben, geht also morgen hinaus.

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