Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
25.09.1915
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
25.9.1915

Beim Morgenspaziergang entwerfe ich diesen Befehl in den Umrissen. Er soll auch zum ersten Mal neue Kampf- und Ausbildungsanschauungen, (im Gegensatz zum ganzen Conradschen Friedenssystem) klar aussprechen. - Oben: Nichts geschehen. Da kann man zufrieden sein. - Die Operation Hindenburg scheint nun doch im Sand zu verlaufen. Es fehlt an der Kraft des linken Flügels. Die Russen konnten eine Front bilden und sich Luft machen; gestern musste deutsche Kavallerie bereits gegen Nordosten sichern.

Kageneck teilt mir vormittags mit, dass an der Westfront ein großer Angriff der Franzosen und Engländer im Gange sei; 36stündiges Trommelfeuer; eine französische Armee wurde bereits abgeschlagen. Falkenhayn ist also gerade zurechtgekommen. Jedenfalls hat man dies auch kommen sehen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dieser Angriff mit den Joffre'schen Besprechungen in Italien zusammenhängt und dass doch noch eine größere Aktion Cadornas, vielleicht wenn der Angriff auf Serbien beginnt, folgen wird. Ich halte daher mit dem geplanten „Winterbeschäftigungsbefehl“ noch zurück. Übrigens gibt Schneider etwas Verwandtes (längere Ausbildung der Marschbataillone) hinaus.

Abends: Soweit ich orientiert bin, ist im Norden wieder nichts geschehen. Dafür: Die erste wirkliche Friedenstaube. Aus Pless kam die Nachricht, dass der Zar angeklopft hat; weiteres weiß man nicht. - Stürgkh soll abgesetzt werden; vom AOK. wird dies mit a.u. Vortrag beantragt. Er ist ja nichts wert; aber so etwas macht man doch vertraulich, das heißt mündlich ab.

Abends wird hin und her erwogen, ob der Entschluss Linsingens, mit 5 ITD anzugreifen, zu billigen oder abzuändern wäre. Die Ansichten sind sehr geteilt; ich - der ich übrigens nichts mitzureden habe - halte dafür, man müsse Linsingen nun gewähren lassen. Das geht doch nicht, dass man einen deutschen Armeeführer zur Rettung der Lage herbeiruft, ihm eine Aufgabe stellt und ihm dann die Durchführung der. Aufgabe nicht überlässt. Allerdings ist die Grundsituation unserer Front in Ostgalizien und bei Luck nicht günstig; sie ist gegen Hindenburg viel zu weit zurück, oder vielmehr dieser ist zu weit vorgegangen. Gut wäre es, die Bahn bei Rola nehmen zu können. Dies bringt aber wieder die böse Frage aufs Tapet, ob unsere Armeen mitgehen sollen. Sie müssten dies schließlich - trotz ihrer geringen Angriffsfähigkeit; namentlich dann, wenn der Russe, wie er jetzt schon begonnen hat und wie auch weiter zu erwarten ist, fortgesetzt Kräfte nach Norden schiebt, von wo die Deutschen kommen. - Schließlich wird der nach meiner Auffassung zutreffende Entschluss gefasst, Linsingen nichts dreinzureden.

Auf dem I-Schauplatz gar nichts los; lebhaftere Tätigkeit an der Tiroler Westgrenze. Erzherzog Eugen begibt sich morgen nach Bozen, wohl um die befohlene Besprechung über die Zurückdrängung des italienischen Elementes abzuhalten. Da wiederholt Nachrichten über italienische Truppentransporte auf den Balkan vorliegen, rege ich eine Überprüfung des noch Vorhandenseins der an unserer Grenze stehenden Verbände an.

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