Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
10.09.1915
Wählen Sie aus:
Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
10.9.1915

8 Uhr früh will es der Zufall, dass ich mit Falkenhayn am Telefon spreche. Er wollte dringend den General Cramon über die Lage am Sereth hören. (Ob keine Besorgnisse bestünden). Ich melde ihm, dass ich zwar nicht im Detail orientiert, aber der persönlichen Auffassung sei, dass nichts zu besorgen wäre, da die Russen nach den Erfahrungen der letzten Tage nie energisch nachdrängen. Auch wird die 37. ITD ausgeladen, und die Morgenmeldung klinge nicht beunruhigend; die Truppen haben ihr Ziel heute 2 Uhr vm. ohne feindliche Einwirkung erreicht. - Ich melde diese Sache dem General Cramon, der sich aber wenig erbaut zeigt. Kageneck steht dabei wie ein begossener Pudel. Es scheint 1), dass sich die Auffassung der Herren mit meiner nicht deckt. (Kageneck ist ja der größte Panikeur,) 2), dass es eine Nase setzt wegen ihrer Abwesenheit. - Schon Nachmittag zeigt sich deutlich, dass die Sache beim Korps Rhemen nicht so arg ist. Trotzdem wurde aber der Entschluss gefasst, das für Serbien bestimmte VI. Korps bei Pflanzer, dem Allesverschlingenden, einzusetzen.

Ich verständige die Südwestfront (zuerst Salis vertraulich) dann offiziell durch Befehl, dass auf die 6. Division nicht zu rechnen ist, die beiden in Aussicht genommenen Divisionen aber trotzdem abgehen müssen. Falkenhayn telegrafiert Vormittag (dem Sinne nach): Damit der entstandene Schaden nicht noch größer werde, habe er nichts dagegen, wenn einzelne der gegen Serbien bestimmten Divisionen auf dem russischen Kriegsschauplatz eingesetzt würden; er werde sie durch deutsche ersetzen. Natürlich fühlt man die Ironie dieses Anerbietens, nimmt es aber trotzdem an, das heißt, muss es annehmen, indem man das VI. Korps über Stanislau zur Unterstützung Pflanzers fahren lässt. Zu einem entscheidenden Eingreifen aber, zum Verbieten der fruchtlosen Gegenstöße kann man sich nicht entschließen, obwohl die Lage schon sehr mehrere Tage wie kaum eine Zeit in diesem Kriege nach einem Eingreifen des AOK schreit! Es käme nur darauf an, endlich eine bestimmte Linie (zum Beispiel Strypa - Dnjester) zu beziehen, die verteidigt werden muss und jeden General, der angreift, in Pension zu schicken. - Man wundert sich, dass der Russe nun auf einmal stärker ist als wir und hat doch die Situation seit Wochen genau gekannt.

X
Tablet drehen