Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
02.10.1915
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
2.10.1915

Gestern abends noch vor dem Schlafengehen Debatte mit Dragoilov wegen Abgabe von Kräften auf den serbischen Kriegsschauplatz. Von Appollonio, wird er sekundiert. Dabei kennt keiner die Kräfteverhältnisse; jeder aber möchte seine Theorie darauf aufbauen, dass die Italiener nicht angreifen. Dass unsere Front gegen Serbien zu schwach ist, glaube ich selbst. Aber wer ist Schuld daran? Die Herbstsau. Denn die Südwestfront hat ihre 2 Divisionen zeitgerecht, auf Kräftestand und retabliert abgegeben. Aber auch, wenn man diese frivole Operation als historische Tatsache ansieht, kann man vernünftigerweise nicht auf den Gedanken verfallen, Kräfte vom italienischen Kriegsschauplatz abzuziehen und dort eine Niederlage zu riskieren, die den Zusammensturz unseres ganzen Kartenhauses zur Folge hätte. Man muss doch darüber im Klaren sein, dass jede Zurücknahme unserer Front gegenüber Italien das Mitgehen der Rumänen auslösen würde und auch die Balkanoperationen beeinflusst. Ja, die unbedingte und sichere Ruhe auf dem italienischen Kriegsschauplatz ist geradezu Bedingung für die Operationen gegen Serbien. -

Heute früh lese ich das Telegramm Falkenhayns und die Antwort. Deren Tenor ist tatsächlich, dass man wieder offensiv werden will, und zwar Ende Oktober, nach Einreihung der Marschbataillone und unter Heranziehung der jetzt für die Donauforcierung verwendeten schweren Geschütze. Als Druckstelle wird die russische Front Sarny - Rowno in Aussicht genommen; Conrad verlangt aber, dass durch Herüberziehen von deutschen Kräften aus dem Westen noch andere Druckstellen (nördlich des Pripiatj) geschaffen werden. - Vormittag kommt Falkenhayns Antwort. Er sagt im Wesen: Wenn der Angriff in Wolhynien = Ostgalizien nicht jetzt erfolgen kann, soll er unterbleiben; denn bis Ende Oktober können die Russen ebenbürtige Kräfte entgegenstellen. Somit also kein Angriff, sondern Dauerstellung. Dann aber Abgabe von 2 I- und einer KTD an die Front nördlich des Pripiatj. Weiters Abgabe des Deutschen Alpenkorps in die Vogesen. - Telegramm wird im Großen und Ganzen zustimmend erledigt; allerdings behält sich Conrad noch ein Hintertürchen für die Offensive offen, indem er sagt, was später zu geschehen habe, wird sich erst später beurteilen lassen (alles nur dem Sinn nach wiedergegeben). Da nun bei der R-Gruppe die Tendenz besteht, möglichst kräftestarke Verbände für die Front nördlich des Pripiatj zu bekommen, schlage ich vor, nun endlich Ordnung zu machen, und gegen das VII. die 3. und 6. Division herunterzugeben. Dies wird auch in Aussicht genommen. Nebenbei verliere ich nicht all zu viel. Bitter ist nur, dass das  Alpenkorps nun durch die 8. Division abgelöst werden muss und nicht nur keine Armeereserve für die 5. Armee (die überdies dadurch doch auch geschwächt wird).vorhanden ist, sondern auch die beabsichtigte Retablierung dieser Division als Gebirgstruppe wieder illusorisch wird. - Abends mache ich eine Zusammenstellung der Kräfteverhältnisse vor und nach den beabsichtigten Abgaben und Verschiebungen. Diese ergibt als Summen (auf Grund der Stände nach Weisung vom 15.9., ohne die XV. Marschbataillone; die eingerahmten Zahlen sind jene nach Durchführung der Verschiebungen).

Gesamtstand ohne Marschformationen, alles in Tausendern:

5. Armee         122      (105), Rohr     38, Tirol          90        (87), zusammen          250      (230); Kräfteverhältnis auf ein eigenes 2,3 - 2,5 italienische Gewehre; wobei auf italienischer Seite nur die sicher festgestellten Formationen gerechnet sind. - Oben endlich Ruhe.

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