Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
01.10.1915
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
1.10.1915

Heute in aller Früh gleich eine erregte Debatte. Falkenhayn telegrafierte, es sei gegen die Vereinbarung, dass die Offensive Linsingens eingestellt wurde. Sachlich sei er übrigens ganz einverstanden; nur müssten jetzt entweder die 2 deutschen Divisionen oder aber 2 österreichische Divisionen an die deutsche Nordfront in Russland abgegeben werden. Da verlangen nun die jungen Gasdämpfe, Jacobich an der Spitze, dass diese Divisionen vom italienischen Kriegsschauplatz genommen werden. Die Leute reden, obwohl sie über die Lage gar nicht unterrichtet sind; ich bitte mir das energisch aus weil aus solchen Redereien nur zu leicht blödsinnige Entschlüsse werden. - Infolge der ganzen Debatte halte ich mich jetzt wieder für einige Zeit vom 2. Stock möglichst ferne. Truppen von unten bekommen sie nicht; es wäre denn im Austausch gegen die 3. und 6. Division. Dass ich diese bekomme und dass überhaupt das Vernünftige geschieht, dafür werde ich mit allen Mitteln zu sorgen wissen. - Wie ich höre, geht eine Antwort an Falkenhayn, dass die Offensive nur bis zur Einreihung der Oktober Marschbataillons eingestellt sei. Christophori ist nun selbst ausgesprochen gegen einen neuen Angriff; auch Schneider tut das Möglichste, um von der Angriffsunfähigkeit unserer Armee zu überzeugen: anscheinend noch immer ohne wirklichen Erfolg.

Nachmittag von 4 - 7 Uhr ist Mor bei mir, um sich über seine Reise zu orientieren. Er will etwa einen Monat ausbleiben und die ganze Südwestfront sehen. Unwillkürlich ergibt sich bei dieser Besprechung auch sonst mancher Gedankenaustausch. Mor ist ein überzeugter Anhänger einer ruhigen Kriegführung; er bemerkte mir schon heute Vormittag, der an Eugen ergangene Befehl sei eine Persiflage dessen, was hier oben geschehen ist. - Erzherzog Karl scheint sich sehr für den Südwesten zu interessieren und dort die besten Eindrücke gewonnen zu haben; im Allgemeinen aber sei alles schon recht „stuf“. -. Sehr hoch in Gunst beim Kaiser und Thronfolger scheint Erzherzog Eugen zu stehen. Mor sagte wiederholt, er sollte einmal Marschall werden. Natürlich hat man hier Grund, dies nicht zuzulassen. Auch will man im Falle einer Offensive Eugen unbedingt allein führen lassen. Ich setze daraufhin meine Erwägungen über die Kommandoverhältnisse auseinander; Mor sieht sogleich ein, dass die Sache etwas für sich hat und interessiert sich für die diesbezüglichen Studien.

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