Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
06.11.1915
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
6.11.1915

Chef mit General und Oberst Höfer sind heute von früh bis mittags in Pleß. Die erste Andeutung über das Ergebnis der Verhandlung erhalte ich nachmittags von Hauptmann Pichler; Oberst Höfer hat ihm erzählt, „vor Mai sei es mit Italien nichts“. Also auf diesem Wege wird man zuerst orientiert! – Nach der Mittags- und der Abendmeldung hält die Ruhe im allgemeinen an; nur am Plateau von Doberdó drückt der Feind hartnäckig, mit starken Kräften und unter - bisher nur vorübergehenden - Erfolgen gegen den Raum südwestlich S.Martino. Angesichts der bevorstehenden Parlamentstagung ist eine Fortführung des italienischen Angriffes Wahrscheinlichkeit; denn mit den bisherigen Erfolgen kann sich die Regierung nicht sehen lassen. Für diese Fortsetzung sprechen auch übereinstimmend alle Kundschafternachrichten und Gefangenenaussagen; endlich nach meinem Gefühl, der fortgesetzte Druck auf dem Plateau. Es dürfte eben schwer sein, die jetzige Situation aufrechtzuerhalten; entweder die Italiener gehen wieder in ihre alten Stellungen oder – l'appetit vient en mangeant - sie drücken weiter. - Abends ein längeres Gespräch mit Kaltenborn. Er ist der Ansicht (und seine Ansichten sind gewöhnlich die von „ganz oben“), dass die künftige Grenze gegen Italien die Schützengrabenlinie sein werde. Wir hätten gar keine Ansprüche auf eine andere Grenze und Deutschland würde den Krieg nicht verlängern wollen, damit wir mit Italien abrechnen können. Endlich müssten die Kräfte der Südwestfront frei werden, um auf anderen Schauplätzen verwendet werden zu können. Überall findet man diesen Irrtum; jeder glaubt, die Südwestfront könne 300.000 Feuergewehre stellen. In Wirklichkeit keine Spur davon. Die Standschützen u.s.w. gingen nach Hause; und wie viele müsste man von den anderen Truppen zurücklassen, um den „treuen“ Nachbar zu bewachen. Wie stellt man sich überhaupt die Durchführung des ganzen vor.- Man könnte wütend werden, wenn mark- und kraftlose Individuen solche Ideen durchbrechen. Besonders auffallend ist auch die, Äußerung Kaltenborns über das Dementi wegen der Abtretung; er sagte, wenn so etwas dementiert wird, ist es sicher wahr....

Die Erfolge gegen Serbien sind wirklich großartig: Niš, Kraljevo. Natürlich empfindet „man“ es bitter, dass die glückbringenden Sachen immer von den anderen vollbracht werden.

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