Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
28.11.1915
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
28.11.1915

Gestern wurden wieder alle Angriffe der Italiener abgewiesen. Besonders heftig waren die Kämpfe am Görzer Brückenkopf bei Oslavija wo sie um jeden Preis durchzudringen trachten. Diese Hartnäckigkeit muss aber mit schwersten Opfern bezahlt werden; über 1000 Leichen vor Oslavija allein. - Auch heute richten sich die heftigsten Anstrengungen gegen diese Stelle. Es wurden auch Truppen festgestellt, die früher vor Plava und am Krn standen; Gefangene sagen aus, dass die Erbitterung wegen des unnützen Blutvergießens bereits groß sei und die Stände der vor Oslavija kämpfenden Kompagnien nur mehr 50 - 80 Mann betragen. In den beiden letzten Meldungen (mittags und abends) ist eine besondere, wie es scheint, nach den Kampferfahrungen wohl begründete Zuversicht auffallend; der ganze Ton ist ein anderer, wie an den früheren Kampftagen. Ich vermute, dass die Sache ihrem Ende entgegengeht, das für die Italiener ein Ende mit Schrecken sein wird.... Kitchener mag sich das mit ansehen; dann wird er auch die Berichte der Times, die von dem doppelzüngigen Amerikaner W[?] geliefert wurden, berichtigen können! - Heute Inspektion. Bin ziemlich müde - von unbefriedigten Wünschen und vom Skifahren, das ich seit 3 Tagen betreibe. Zudem eine Saukälte, die einen auch schläfrig macht: -10°. Am Krn sind heute schon 22. Abends sind wieder General und Lorx im Theater. Die Sache nimmt schon Dimensionen an, die den großen Interessen wenig förderlich sind. Kless erzählte neuerlich, in Wien sage man, Metzger habe mit der Luxi ein Verhältnis!- Ja, bedeutende Männer müssen auch streng gegen sich selbst sein, wenn wir unbedeutenden das treffen müssen, obwohl es uns (ich meine mich mit meinem lieben Mitzchen!) gewiss tausendmal schwerer fällt. -

Für die Kämpfe des heutigen Tages ist gegenüber jenen des gestrigen charakteristisch, dass - wenn Boscos Meldungen. überhaupt wahr sind - nicht nur um den Görzer Brückenkopf, sondern auch am Plateau erbittert gerungen wird. Vor Oslavija treten immer neue Regimenter auf. Ich bin aber überzeugt, dass es gegen Ende geht; denn auch der reichlichste Born muss versiegen. Gar nicht unmöglich scheint es, dass die Italiener nun doch irgendwo in Albanien, vielleicht eine kleine Landung in Durazzo, versuchen, nur um sich eine bessere Pose im Parlament leisten zu können.

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