Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
16.11.1915
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
16.11.1915

Schon in aller Früh kommt Kageneck sich nach der Lage erkundigen und deutet an, dass es mit einer deutschen Division aus Serbien nichts sein wird. Tatsächlich lehnt Falkenhayn ab, indem er sagt, er könne keine dieser Divisionen in Ostgalizien festlegen; dafür schlägt er aber vor, eine Division des VIII.Korps zu nehmen, da dieses Korps ohnedies nicht mehr mit beiden Divisionen weiterkommen könne. General beauftragt mich zu Mittag, rasch Feuergewehrstand und Front des Görzer Brückenkopfes und des Plateauabschnittes zusammenzustellen. Diese Daten sind: Brückenkopf 14 km – 12.000 Gewehre; Plateau 21 km – 46.000 Gewehre. (Füge der Berechnung eine kurze Begründung der Schätzung der Verluste bei). Mit den aus Kärnten und Tirol heranzubringenden Kräften und der 9. ITD beträgt die Summe rund 55.000 Gewehre. - Chef bemerkt dazu: Von den 35 km eigentliche Angriffsfront des Feindes nur 24 km; somit 1934 Gewehre pro km. - Weiters rechnet er für 35 km Front: vordere Linie 3 m per Gewehr (!) = 12.000, unmittelbare Reserve ebenso = 12.000, Hauptreserve 50% = 6000 zusammen rund 30.000; ebenso viele zur Ablösung = 30.000 zusammen 60.000 Gewehre. - Ja, aber draußen schaut das etwas anders aus. Ich melde dem General erneuert, dass die Lage kritisch werden kann. Er denkt daran, die 5.Division der 7. Armee durch die 70. (Siebenbürgen) ablösen zu lassen; sagt mir aber schließlich kurz, dass vorläufig nichts geschehe. - Mir gibt es aber keine Ruhe, weil ich das bestimmte Gefühl habe, dass die Italiener sobald schöneres Wetter eintritt, weiter angreifen werden und uns dann der Atem ausgeht. Spreche also abends mit Salis (der mich aber wieder nicht recht verstehen will). Sage ihm mit Hughes: Nach der heutigen Mittagsmeldung ist der Zustand des VII. Korps (das heißt wohl aller 4 Divisionen und der beiden zugeteilten Brigaden) in physischer Beziehung größtenteils stark herabgemindert. Auch die Truppen des Görzer Brückenkopfes dürften ziemlich hergenommen sein. Unter diesen Verhältnissen wäre es zur weiteren Beurteilung der Lage erwünscht, die jetzigen beiläufigen Stände im Plateauabschnitt und am Görzer Brückenkopf zu wissen. Ich frage auch deshalb, weil die 9. ITD nur mit etwa 5700 Feuergewehren (Anfang etwa 19.11. abends) eintrifft, weil weiters eine energische Wiederaufnahme des italienischen Angriffes noch immer möglich, ja sogar nach Eintritt besserer Witterung recht wahrscheinlich ist, die Plateau Situation doch nicht mehr allenthalben so fest zu sein scheint wie bisher und der tägliche Kräfteverbrauch der ermüdeten Plateautruppe mit 2 – 3000 Mann sicher nicht zu hoch geschätzt sein dürfte. Wäre es nicht angezeigt, dass die 5. Armee ihre Angaben über Stand, Verluste Verfassung der Truppen, Möglichkeit der Ablösung u.s.w. unter Berücksichtigung der letzten Tage ergänzt? - Salis antwortet mir, dass die Daten über Stand morgen kommen werden, dass über die Verluste die täglichen Meldungen Aufschluss geben (hierüber Kontroverse) und über die Ablösung die vorhandene Reserve orientiere (auch über diesen Punkt Debatte im Hughes). – Die Zuschrift an Falkenhayn vom 15.11. lautete: „Nach bisherigen Verlauf der Isonzoschlacht und nach allen sonstigen Nachrichten (diese Einleitung von General eingefügt) beabsichtigen Italiener, die ununterbrochen Ersatzmannschaften einreihen und auch noch Verbände von Tirolerfront heranführen können, im Görzischen um jeden Preis durchzudringen, um für die Parlamentseröffnung einen Erfolg zu haben. Bei aller Zähigkeit der Verteidigung kann unsere 5. Armee, die in 4 Wochen heißen Kampfes bereits 60.000 Männer verlor, den Anstrengungen des an Zahl mehrfach überlegenen Feindes ohne Verstärkungen nicht dauernd gewachsen bleiben, da die unter schwierigsten Verhältnissen fechtenden Truppen größtenteils schon jeder Ablösung entbehren. Ich musste mich daher entschließen, zunächst den beschleunigten Zuschub der hinter der Südarmee bereitgestellten, leider standesschwachen 9. ITD nach Südwesten zu verfügen. Da diese Kraft aber zur Überwindung der bei Fortsetzung der italienischen Angriffe unausbleiblichen Krisen nicht ausreichen kann, möchte ich mindestens noch eine Division der 7. Armee folgen lassen. Um dies zu ermöglichen, ersuche ich E.E. den Ausfall bei der 7. Armee durch eine der in Serbien frei gewordenen deutschen Divisionen zu ersetzen. Im Falle E.E. Zustimmung, die ich dringend erbitte, würde ich die weiteren Verfügungen übernehmen.“ - Falkenhayn antwortete, der Festlegung noch einer deutschen Division in Galizien stehen so schwere Bedenken entgegen, dass ich mich dazu nicht entschließen kann; dagegen würden gegen den Abtransport einer Division des k.u.k. VIII. Korps aus Serbien umso weniger Einwendungen zu erheben sein, als das Korps infolge der Gelände Verhältnisse so bald doch nicht mehr als ganzes wird weiter verwendet werden können.“ - Hierauf unsere (von Metzger verfasste) Antwort: „Abtransport einer Division des VIII.Korps kann ich umso weniger in Betracht ziehen, als zum Erreichen leistungsfähiger Bahn für diese Division mindestens 10 Marschtage notwendig wären. Überdies ist VIII. Korps nebst deutschen Alpenkorps, 101. und 103. Div. mit Gebirgsartillerie und Gebirgsausrüstung am reichsten dotiert und hat gebirgsgewohnte Truppen. Diese für das schwierige Gebirgsgelände der westlichen Morawa besonders geeigneten Verbände zu schwächen, halte ich auch deshalb nicht für zweckmäßig, weil durch ihr Auftreten in diesem Gebiet umso mehr deutsche und bulgarische Kräfte für die bereits angeregte Verschiebung über Vranje gegen das Kosovo polje freigemacht werden könnten. Ich vermute heute ebenso wie damals, dass das serbische Heer den Durchbruch zur Entente aus dem Kosovo polje in südlicher Richtung versuchen wird und glaube heute wie damals, dass der Zeitpunkt nahe ist, zu welchem wir südlich Priština nicht stark genug sein können. Da jedoch die Lage an der Isonzofront gegen das mit 3facher Übermacht angreifende italienische Heer täglich kritischer wird., während E.E. aus mir nicht bekannten Gründen mein Ersuchen ablehnen, bleibt mir keine Wahl. Ich muss, um im Südwesten durchzuhalten, dem Nordosten ohne Ersatz noch weitere Kräfte entziehen und dadurch die für die wolhynisch-ostgalizische Front unleugbar bestehende Gefahr erhöhen. Auch den schwachen Grenzschutz gegen Rumänien werde ich demnächst gezwungen sein ganz abzuziehen.“ Nach der Nachtmeldung Schneesturm und daher verhältnismäßig geringe Gefechtstätigkeit.

Die Debatten wegen Besuches bei der Chefin sind bereits am Tapet. Ich erkläre (vor Lorx und Appollonio), dass ich keinen Besuch machen werde.!) weil ich noch immer auf dem Standpunkt stehe, dass die Frauen hier nur geduldet sind, 2) weil ich (aus eben diesem Grund) auch bei den anderen Frauen keinen Besuch machte, 3) weil ich als Verheirateter nur mit meiner Frau Besuch mache und übrigens erst ins Büro gekommen bin. - Natürlich waren schon wieder „einige“ dort, was - wie Pflug meint - für die „weißen Raben“ eine unangenehme Situation schaffen kann, weil der Chef denken könnte, man streike aus anderen Gründen.

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