Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
14.11.1915
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
14.11.1915

Heute beginnt der Kampf von Neuem. Ich meine nicht jenen drunten, sondern hier; den Kampf um Verstärkungen. Die Mittagsmeldung lässt keinen Zweifel darüber, dass die Beanspruchung der Truppen eine ungeheure ist; von den Reserven der 5. Armee (einschließlich dem, was aus Kärnten und Tirol zugeführt worden war) dürften nur mehr 10.000 Gewehre übrig sein. Beim Mittagsrapport bitte ich daher nochmals (unter Vorlage des Referates) um Verstärkung. Darauf Befehl anzufragen bei der Südwestfront, wie viele Tage mit den dortigen Kräften nach den bisherigen Kampferfahrungen noch ausgehalten werden kann. General sagt mir, die 9. ITD habe nur 5000 Gewehre und soll erst mit den Marschformationenvereinigt werden. Ich bitte um eine andere Division. Er lacht und sagt, hier stünden Divisionen mit 20 km Frontbreite. Ich meine, das kann sein, aber hier ist kein Kampf, unten ist Schlacht. Man möge, sagt er, die XVI Marschformation einreihen. Die rollen doch noch zum großen Teil; und sind nicht genügend ausgebildet für die schwierigen Verhältnisse unten. - Er: Diese Verhältnisse bestünden auch oben. Ich muss das negieren und betone, man müsse einen russischen Angriff doch voraussehen.

Er meint, der könne plötzlich kommen u.s.w. u.s.w. Kurz man will meiner Auffassung, dass die oberste Führung selbst sehen und voraussehen müsse, nicht beipflichten. Da ist nichts zu machen; ich klopfe das Konzept, unterschreiben werde ich es nicht… - Abends um 7 Uhr kommt die Antwort der Südwestfront; wie vorauszusehen unbestimmt. Erstens wurde das 5. AK befragt. Dann wird gesagt, dass die Vorausbestimmung eines Termines unmöglich ist. (Sehr richtig, muss man einstecken). „Das Kommando der Südwestfront vermag als bestimmt nur den festen Willen aller Führer und Truppen zu melden, das Äußerste in Behauptung der jetzigen Stellungen zu leisten. Ebenso steht fest, dass jeder Kräftezuschuss von größtem Wert ist, weil er zeitgerechte Ablösungen und hiemit Erhaltung kampferprobter Verbände ermöglicht, bei welchen sonst durch die wochenlangen, heißen Kämpfe mit bleibender Schädigung des Kampfwertes für spätere Zeitabschnitte gerechnet werden müsste. Dem AOK muss es überlassen werden, auf Grund des nur dort vorhandenen Überblickes über die Gesamtlage zu entscheiden, ob die Erhaltung bewährter Truppen für spätere Ereignisse und die erhöhte Sicherung und Behauptung der jetzigen Stellungen an der Isonzofront es rechtfertigen, anderwärts Kräfte abzuziehen. Wird diese Frage bejahend beantwortet, so ist jeder Tag, um den diese Verstärkungen früher eintreffen, von großem Nutzen.“ - Auf dieses Telegramm hin erhalte ich um 930 abends den Auftrag zur Ausfertigung der Befehle an die Südarmee und den Chef des Feldtransportwesens zur Bereitstellung der 9. ITD derart, dass der Abtransport morgen abends beginnen könne. So wird das Unausbleibliche Ereignis, aber nicht ohne Gasdampf. Anscheinend will man noch die Äußerung des 5. AK abwarten. - Ja, so ist es. Diese Äußerung kommt nach 11 Uhr nachts und besagt: „Auch heute schwerer Kampf im Abschnitt IIIa. Obwohl alle anderswo entbehrlichen Reserven in die Nähe dieses Abschnittes gestellt wurden, ist es unmöglich, heute zu sagen, wie viele Tage unsere Stellung mit Sicherheit behauptet werden kann, da dies nicht nur von der feindlichen Überlegenheit, sondern von der täglich besser werdenden Angriffstechnik der Italiener und vom passiven Kräftezustand der eigenen Truppe abhängt. Die Abgänge bei der Armee seit 18.10. betragen rund 60.000 Männer, hievon im Abschnitt IIIa 31.000. Dem AK verursacht seither die größte Sorge, dass es trotz Aufwand aller Kombinationen bisher nicht in der Lage war, die im entscheidenden Raum stehenden Divisionen abzulösen. Auch die geringen Stände können nicht vor dem 20. durch Marschformationen aufgefüllt werden. Da laut Gefangenenaussagen der Gegner die Absicht hat, die Angriffe bis zum 1.12. fortzusetzen, könnte, soweit auf Grund bisheriger Kampferfahrungen die menschliche Voraussicht reicht, die bisherige Armeefront sicherer behauptet werden, wenn das AK. in die Lage gesetzt wird, die im Abschnitt IIIa befindlichen Divisionen abzulösen. Hiezu würde, da auch hiesige Kräfte zur Ablösung verwendet würden, die Verstärkung durch eine vollwertige Infanterie Truppendivision zur Not genügen. Bezüglich der Abschnitte I, IIIb, IV besteht hier keine Besorgnis, doch können diesen Abschnitten keine Kräfte mehr entzogen werden. Auch im Abschnitt II dürfte durchgehalten werden können, sodass eigentlich nur der Abschnitt IIIa ausgiebiger gestützt werden sollte. Im Übrigen sieht das AK. nach wie vor zuversichtlich den weiteren Ereignissen entgegen, namentlich dann, wenn der Zuschub an Artilleriemunition ein ausreichender bleibt. -

Das Kommando der Südwestfront sieht sich nicht veranlasst, seiner Beurteilung der Lage etwas beizufügen.“ - Mit dieser Meldung und der Nachtsituationsmeldung (die erkennen lässt, dass am Plateau heftig weiter gekämpft wird) bewaffnet, warte ich auf Metzger. Um ¼1 Uhr nachts komme ich zum Referat. Er gesteht den Zuschub der 9. ITD ohne weiteres zu und erklärt sich auch mit meinem Vorschlag einverstanden, den Zuschub weiterer Kräfte, und zwar mindestens einer ITD der 7. Armee - gegen Ablösung durch eine der in Serbien freigewordenen deutschen Divisionen - in Aussicht zu nehmen. Ich benütze die Gelegenheit und sage gleich, dass ich das Konzept morgen vorlegen werde. Kann also endlich wieder einmal beruhigt schlafen gehen.

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