Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
13.11.1915
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
13.11.1915

Bei Inspektion einige Einsicht in die letzten Balkanakten. Nachts kam ein Telegramm Falkenhayns, dass die hinter der Front der 11. Armee befindlichen deutschen Divisionen selbstverständlich dieser Armee zur Verfügung stehen. Dieses Telegramm ist eine Antwort auf ein gestern (12.11.) abgegangenes Telegramm Conrads, das auf die Ereignisse bei Leskovac (wo, wie ich hörte, eine bulgarische Division von 4 serbischen geschlagen wurde) Bezug nimmt und meint, diese Ereignisse deuten darauf hin, dass die serbische Hauptkraft die volle Kampfkraft noch keineswegs eingebüßt zu haben scheint (!). Hierauf wird für Verwendung der hinter der Front der 11. Armee stehenden 2 Divisionen (25. Res. und 105.) gegen die serbische Armee eingetreten.

Am 9.11. wurden Falkenhayn Erwägungen zur Kenntnis gebracht, die ungefähr zu folgenden Schlüssen kommen: Man müsse damit rechnen, dass es dem Gegner der Zeit nach gelingen könnte, das Gros seiner Kräfte am Kosovo polje zusammenzuschieben und unter Deckung in Flanke und Rücken an die Linie Kalkandelen - Skoplje - Kumanowo vorstoßen zu lassen. Dieser Stoß von 150.000 Gewehren würde nach der gegenwärtigen Gruppierung nur auf etwa 32.000 bulgarische Gewehre treffen; daher wurde der Verschiebung einer bulgarischen Division nach Süden sofort zugestimmt. Ein Durchbruchsversuch des serbischen Gros in der Richtung Priština - Veles sei dermalen aussichtsvoll, wenn er rasch und mit ganzer Kraft geführt wird. Hiezu sei nicht nur notwendig, die bulgarischen Kräfte südlich und südöstlich Priština rasch und ausgiebig zu verstärken; vielmehr sei zu erwägen, auch von dem an der Morawa frei werdenden Teil der 11. Armee wenigstens 2 Divisionen dem Teil der bulgarischen Morawa nach Süden, zuerst etwa nach Niš - Leskovac zu dirigieren. „Unser Ziel im jetzigen Balkankrieg muss es nebst der Niederwerfung Serbiens sein, die Entente bei allen Balkanstaaten völlig zu diskreditieren. Ehe wir anderswo positiven Aufgaben nachgehen können, scheint das volle und sichere Erreichen dieses Zieles entscheidend, weil wir nur dadurch den Anschluss Griechenlands und Rumäniens an unsere Feinde und einen daraus entstehenden Umschwung der Gesamtlage hindern können.“ - Interessant ist der Schluss des Wortlautes einer Erwiderung Falkenhayns auf einen Protest Conrads wegen des Herausziehens deutscher Divisionen durch Mackensen: „Wenn E.E. sich zukünftig vor Erhebung von Protesten gegen mein Handeln bei mir nach der Sachlage erkundigen wollten, so würde ich stets mit besonderem Vergnügen zur Auskunfterteilung bereit sein.“ (!) - In der letzten Meldung Linsingens heißt es, dass nach Gefangenenaussagen wieder ein allgemeiner russischer Angriff und zwar am 14. bevorsteht. Daher also die Zurückhaltung mit einer Verstärkung der Südwestfront? Ich weiß mir schon nicht mehr zu helfen, wie ich meiner Überzeugung, dass jetzt eine Unterstützung der braven, schwer ringenden Truppen notwendig ist, durchsetzen kann.- Also ein Referat. - Nach der Mittagsmeldung griffen die Italiener auch gestern an der ganzen bisherigen Kampffront mit starker Kraft unaufhörlich an. Unsere Truppen hielten überall stand; in die Brückenkopfstellung bei Görz drang der Feind vorübergehend ein; nachts wurde er wieder geworfen. - Im Resümee sage ich: „Die ganze Beanspruchung unserer Truppen im Görzischen durch intensives Geschützfeuer und fortwährende Infanterieangriffe dauert mit 2 Unterbrechungen durch ruhigere Tage bereits nahezu 4 Wochen an. Nach einigen einleitenden Kämpfen folgten ab 18. Oktober 7 Schlachttage, dann eine 3 tägige Pause, hierauf wieder 7 Schlachttage, eine 6 tägige Pause und nun wieder bis einschließlich 12.11. 3 Schlachttage. Im Ganzen also 17 Tage Schlacht, 9 Tage Ruhe, jedoch mit vielfachen örtlichen Kämpfen. An vielen dieser Tage, namentlich in letzter Zeit, herrschte sehr ungünstige Witterung. Die Deckungen im Karstboden sind wieder größtenteils zerschossen. Dauern die feindlichen Angriffe noch längere Zeit fort (und damit muss gerechnet werden), so ist unter diesen Verhältnissen eine zunehmende Ermüdung, auch der widerstandsfähigsten Truppen unvermeidlich, zumal es an der Ablösung durch frische, ausreichend retablierte Verbände fehlt. Umso früher kann der Einsatz der Reserven notwendig werden. An denselben dürften einschließlich der abgebrauchten Kräfte des VII.Korps vielleicht noch 20.000 Gewehre verfügbar sein. In der 17 tägigen dritten Isonzoschlacht mussten an Reserven etwa 25.000 Gewehre, an Ersatz rund 23.000, im ganzen demnach nahezu 50.000 Mann eingesetzt werden. Diese Zahlen zeigen, dass die jetzigen Kräfte, hinter denen kein ausgebildeter Ersatz mehr steht, zur Überwindung von Krisen nicht mit Sicherheit ausreiche, wenn der Gegner in seiner Energie nicht nachlässt.“ - Zu diesem Referat schrieb General: „Das heißt: Verlangen nach 9. ITD! hat noch Zeit.“ Der Chef fügte bei: „Bleibemerkung richtig.“ - Ich kann mir nur denken: Über die Richtigkeit werden die Ereignisse urteilen. Übrigens wird die Division doch fahren; und wahrscheinlich noch mehr; ganz gewiss mehr, wenn man noch lange zögert. – Um meinen in der Lage fest gegründeten Willen durchzusetzen, spreche ich gegen Abend per Hughes mit Salis. Meine längeren Ausführungen gipfeln in der Bitte, dass in den Situationsmeldungen des eventuellen Schwindens der vorgestern angeführten Reserven, sowie des Kräftezustandes der Truppe und der eigenen Verluste möglichst ausführlich gedacht werde. Salis meint, Exzellenz Krauß stehe auf dem Standpunkt, dass nur das AOK auf Grund seines Überblickes über die Gesamtlage zu entscheiden vermag, ob und wann Verstärkungen verfügbar sind. Ich muss deutlicher werden; es entschlüpft mir die Bemerkung, dass der Südwesten immer mehr für die Monarchie ein Hauptkriegsschauplatz werde und dass möglicherweise jetzt ein schwacher Zuschuss für die Südwestfront frei werden könnte. Abends antwortet mir Salis über Auftrag des Generalstabschefs: „Alle Führer und Truppen der Südwestfront beseelt der feste Entschluss, bis zur äußersten Möglichkeit durchzuhalten. Es ist aber klar, dass die Widerstandskraft unserer Isonzofront keine unbegrenzte sein könne, wenn der so überlegene Feind seine Angriffe durch Wochen hindurch andauernd heftig fortsetzt. Das Kommando der Südwestfront will keinesfalls durch pessimistische Situationsmeldungen die Entschlüsse des AOK beeinflussen. Falls jedoch anderwärts Kräfte zur Verstärkung der Isonzofront verfügbar gemacht werden können, ohne die Grundabsichten des AOK zu stören, so möge mit ihrer Absendung nicht gezögert werden. Jede zeitgerecht eintreffende Verstärkung ist ein wertvolles Mittel, Teile unserer braven Truppen abzulösen, bevor sie durch die anhaltend heißen Kämpfe dauernd in ihrem Gefüge erschüttert werden und so ihre erprobte Kampfkraft für spätere Zeitabschnitte zu erhalten. - Krauß hat diese Antwort genehmigt und ermächtigt mich, sie bei Berichterstattung über die Lage maßgebenden Ortes zu verwerten.“ Da sitze ich nun drinnen. Ich kann so etwas doch nicht vorlegen, weil ich sonst auch mein Gespräch mitbringen muss. Schließlich ist aber eine Ermächtigung noch kein Auftrag. Ich beabsichtige daher, zunächst von dieser Antwort keinen offiziellen Gebrauch zu machen. - Nach der Abendmeldung griffen die Italiener heute bis in die Nachmittagsstunden nach Ablösung der vordersten Linie und unter Einsatz einer frischen Division den Nordteil der Hochfläche von Doberdó erneuert an. Östlich Peteano drang der Feind in ein 600 Schritt breites Stück unserer Stellung ein; der Gegenangriff hatte bisher keinen Erfolg. Das Ergebnis der übrigen heftigen Kämpfe ist noch nicht zu überblicken. Unterdessen stand der Brückenkopf von Görz und die Stadt selbst unter andauerndem schweren Artilleriefeuer. Dieses Feuer hält auch (nach der Nachtmeldung) bis abends an. Am Brückenkopf kam es jedoch nur zu Angriffsversuchen. Unsere Truppen leiden schwer unter andauernd nassen Wetter, stecken auf Podgora Süd bis zu den Hüften im Schlamm. Die Kampfstellungen auf dem Plateau sind größtenteils schwer beschädigt. Der erwähnte Gegenangriff „ist noch im Gange.“ Im Übrigen wurde der Feind abgewiesen. Anscheinend zwang das Wetter zur Einstellung des Kampfes.

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