Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
13.05.1915
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
13.5.1915

Ministerium des Äußern beurteilt die Lage sehr rosig. Meiner Auffassung nach fehlt dafür der reelle Untergrund. Siehe meine Meldung von 1245 nachmittags. - 6 Uhr abends. Im Ministerium des Äußern keine neuen Nachrichten aus Rom. Forgách und Pogatscher bestätigen mir die erfreulichere Auffassung der Lage; letzterer fügt bei, dass man allerdings in den nächsten Tagen auf Rückschlag und darauf gefasst sein müsse, dass die Kriegspartei Freischaren zur Herbeiführung von Grenzzwischenfällen loslassen könnte. Erwähnte die neuerliche Verfügung unsererseits, solche unbedingt zu vermeiden. - Nach meiner Auffassung könnte, falls sich die Verhandlungen mit Italien und die militärische Lage im Norden günstig weiter entwickeln, unter Umständen eine neue Situation eintreten. Hätten die Neutralisten einmal die Oberhand gewonnen, so wäre es denkbar, dass nach Einigung über das Ausmaß der Konzessionen, die Pourparlers über den schwierigen Punkt der sofortigen Besetzung der versprochenen Gebiete ein neuerliches Hinausschieben des Abschlusses ermöglichen könnten, das uns eine längere Behauptung der befestigten und täglich an Widerstandskraft gewinnenden Gebiete für alle Fälle gestatten würde. -

Bringe diesen Gedanken, da er vorerst noch zu akademisch ist, heute nicht zum Ausdruck. - Es könnte sich so die Aussicht auf geringere Landverluste eröffnen, als unter ungünstigen Verhältnissen zugestanden wurde. Selbstverständlich gegenwärtig an der Direktive, alles zu gewähren, damit der Krieg vermieden bliebe, strenge festhaltend, glaube ich, dass das Ministerium des Äußern angesichts der seit Beginn des Monates wesentlich geänderten Gesamtlage den Gedanken an eine geschickte Vergeltung der italienischen Treulosigkeit unter Umständen nicht ganz aufgeben müsste.

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