Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
06.01.1915
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
6.1.1915

Früh finde ich eine günstige Meldung von Fleischmann: Bei 9. Armee kamen 3 Korps beträchtlich vorwärts. Überall Meldungen über Munitionsmangel bei den Russen. Nach dem Frühstück sprach ich Kageneck, der das gleiche sagt, nun seien alle Pläne umgeworfen (er meint wohl die beabsichtigte Vorrückung mit starkem rechten Flügel in den Karpaten). Er erzählte mir auch, dass die Deutschen entrüstet seien, wie Exzellenz Höfer sie hinters Licht führt; er sagt ihnen, unsere Gewehrfabriken könnten täglich nur 1000 Gewehre erzeugen (p.d. tatsächlich 2000); dann hat er die Stände einiger Divisionen mit 6000 Mann angegeben, von denen man durch Thierry bestimmt weiß, dass sie 750 hatten!

Fleischmann teilt mit, dass aus Front 9. Armee 2 I, 1 K, aus 8. Armee ½ ITD herausgezogen werden. Oberbefehlshaber bittet, diese deutschen Verstärkungen (2 ½ I, 1 K) nicht der 3. Armee zu unterstellen, sondern als separate Armeegruppe direkt dem k.u.k. AOK. Dies sei Sache besonderen Vertrauens gegen Conrad. Besonders gerne würde es gesehen werden, wenn man diesen Verstärkungen vielleicht 1-2 österreichische Div. anschließen könnte. Deutscherseits soll ein ganz besonders guter General in die Karpaten  bestimmt werden, dem man die.Sache ruhig anvertrauen könnte. 8.1. erste Einwaggonierungen in Polen, besondere Maßnahmen für Geheimhaltung. General Morgen soll in irgendeiner Form mitgeschickt werden; auf ihn setzt man größte Hoffnungen. (Natürlich die üblichen Streitereien wegen Rangfrage). Aus einem Gespräch Metzger mit Fleischmann vom 5.1., 1145 nm geht hervor, dass man hier das Misstrauen hegt, die gemeldeten Erfolge der deutschen 9. Armee seien nur eine sanfte Vorbereitung eines Abwinkens auf unsere Karpatenoperation! Also wieder das Misstrauen! Fleischmann, der Opportunist, nennt den deutschen Erfolg im Hinblick auf unsere Aktion ein gewisses Pech, ebenso wie die Konstatierung der Garde in Warschau.

Am 5.1. ging ein alleruntertänigster Vortrag nach Wien, der die neue politische Lage darlegt, die darin gipfelt, dass Italien und Rumänien im Frühjahr eingreifen werden. Man spricht davon, dass schon am 10. Februar die diplomatischen Forderungen beginnen sollen. Man will also Teile des deutschen Ostheeres (womöglich 4 Divisionen), dann aus unserer Front gezogene Kräfte, weiters neue deutsche Kräfte, endlich 3 Divisionen der Balkanstreitkräfte, die auf ihre mindeste Aufgabe beschränkt werden sollen, zu einer starken Karpaten-Armee gruppe vereinigen, die die Entscheidung bringen soll. (Ich errechne mir als Maximum: 9 neue deutsche, 4 herausgezogene deutsche, 2 herausgezogene von uns, 3 vom Balkan an 18 Divisionen! Eine schöne Kraft, es ist nur die Frage, ob man die auf dem winterlichen Karpaten  Kriegsschauplatz wird einsetzen können!) Kaiser ist im Grunde genommen mit der Verschiebung einverstanden, wenn OOK volle Verantwortung übernimmt, Erzherzog Eugen vom OOK befragt wird, ob er ohne diese 3 Divisionen seiner Mindestaufgabe, Verteidigung von BHD und des Weges nach Wien und Budapest, genügen kann. -

Verwendung der Armee Gruppe Pflanzer nur insoweit, dass, wenn auch schwache Sperrung der Übergänge gegen Rumänien möglich ist. - Im Sinne dieser Absichten und des kaiserlichen Befehles ergehen die entsprechenden Befehle und Verständigungen an 5. AK. und Hauptquartier Ost.

Abends geht eine sehr betrübende Depesche nach Meziérè. Wegen der vom Hauptquartier Ost gestellten Bedingungen über die Verwendung deutscher Kräfte in den Karpaten  und wegen der vom General Freytag geltend gemachten Bedenken über die Operationsrichtung beantragt AOK, 2. Armee durch deutsche Kräfte abzulösen, damit diese Armee in die Karpaten  abtransportiert werden könne. Das ist der offene Bruch; hoffentlich sind die Deutschen aber so gescheit und beantworten dieses unsinnige Telegramm nur nach ruhigen, sachlichen Gesichtspunkten.

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