Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
06.12.1915
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
6.12.1915

Die Frage, ob sich Italien in größerem Maßstabe am Balkankrieg beteiligen werde, taucht in allen Variationen auf. Ich habe immer behauptet: nein. Heute ein Telegramm aus Athen. Der griechische Gesandte in Rom erhielt von Sonnino vertrauliche Mitteilung, dass eine Landung in Albanien nicht beabsichtigt sei; Italien werde sich auf die Behauptung Valonas beschränken. -

Unten hält das schlechte Wetter an; die Truppen leiden sehr darunter. Gestern nachmittags unterhielt der Feind an mehreren Stellen der Front ein mäßiges, gegen Teile des Görzer Brückenkopfes, dann gegen die Stadt Görz ein lebhafteres Geschützfeuer. Im Abschnitt von Doberdò griff italienische Infanterie nachmittags unsere Stellungen östlich Polazzo und Redipuglia, abends bei S.Martino an; sie wurde abgewiesen. In Tirol hält das Feuer gegen Corriola an; Volltreffer hatten keine Wirkung. Auch die anschließenden Stellungen nördlich des Ledrotales sind unter Feuer. Größere Aktionen können dort nicht bevorstehen; dazu fehlen den Italienern die Kräfte. - Habe eine niederträchtige Influenza; Kopfweh, Schnupfen, Gliederschmerzen; kann mich kaum rühren. Trotzdem nachmittags Spaziergang. Erzherzog sprach mich an und fragte über verschiedene I-Angelegenheiten. Abends kommt Hauptmann König von Pleß, um sich zu verabschieden und seinen Nachfolger vorzustellen. - Mir ist aber so elend, dass ich beim Abendessen durch Abwesenheit glänzen muss, so unangenehm mir dies ist, weil die Deutschen vielleicht glauben könnten, es geschehe absichtlich. - Mit König kamen noch 3 Offiziere, darunter Hauptmann Köppel, sein Nachfolger. Dann ein Generalstabshauptmann, der das Referat über England hat und viel Interessantes erzählt. Die Engländer haben jetzt in Frankreich allein 36 Divisionen, im Ganzen etwa 70. In Pleß glaubt man aber, dass weitere Neuaufstellungen guter Truppen auf Schwierigkeiten stoßen werden, weil die Offiziere fehlen. So hält man die noch angesagte Kitchener Armee für einen Bluff. Sehr große Bedeutung kommt dem türkischen Sieg im Irak zu, der durch ein großes Glück erfochten wurde. Gerade seien die ersten Truppen einer türkischen Division zur Verstärkung angekommen; englische Verstärkungen seien bestimmt auf dem Weg gewesen, aber zu spät gekommen. Die Lage an den Dardanellen eine sehr böse für die Engländer. Sie können aber ihre dortigen Truppen nur schwer wegnehmen, weil stärkere Kolonialkontingente darunter sind und befürchten werden müssten, dass die Kolonien, namentlich Australien, ausspannen. Über das Ausmaß der Befestigungen von Saloniki ist man noch nicht unterrichtet. Die Grundentschlüsse der englischen Heeresleitung sind sehr schwer, vielleicht ist eine Landung in Syrien das Beste, um so Ägypten zu decken.

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