Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
17.12.1915
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
17.12.1915

Vormittags redigiere ich das abschließende Communiqué über die 4. Isonzoschlacht, das nun doch endlich hinausgegeben werden muss. Frage aber auch die Südwestfront vor der Vorlage über ihre Wünsche (sie sind einverstanden) und benütze die Gelegenheit, um Krauss wissen zu lassen, dass in nächster Zeit keine neuen Direktiven des AOK kommen werden. - An der I.- Front dauert die Ruhe so ziemlich an; in Tirol rührt es sich jetzt etwas in der Sugana - aber nichts von Bedeutung. Heute und morgen gehen auch die von Tirol entliehenen Bataillone der Isonzofront zurück; das große Ordnungmachen nach der Schlacht ist daher beendet. - In letzter Zeit lief wohl eine unverlässliche Nachricht ein, dass die Italiener in diesem Jahr noch etwas unternehmen wollen, ich glaube aber ebenso wenig daran, wie an das Gerücht von einer angeblich am 19. beginnenden russischen Offensive. - Abends zeigt mir Metzger das Konzept der Antwort an Falkenhayn. Es ist wirklich sehr gut und gründlich verfasst, geht auf alle Bedenken Falkenhayns (bezüglich Zahlen, Kräften, Artillerie, Wirkung der Operation) ein und ersucht schließlich, er möge das Ganze nochmals erwägen. Besonders freut es mich, dass die eventuelle Mitwirkung deutscher Truppen angeregt wird. Auf meinen Vorschlag erweitert Metzger seine Fassung, die sich nur auf den Marschstaffel bezog, auch für den Stoßstaffel. Er ist in sehr entgegenkommender Stimmung gegenüber den Deutschen; jeder gescheite Mensch muss ja einsehen gelernt haben, dass es überall gut geht, wo sie ordentlich mittun. Bezüglich der schweren Artillerie hat Falkenhayn wohl sehr übertrieben, wenn er eine Batterie für 150 m Frontbreite fordert; wir hoffen, für unseren Durchbruch mit rund 100 schweren Batterien auskommen zu können (davon vielleicht 30 - 40 deutsche) - Metzger ist heute abends im Theater. So kommt es, dass mich Chef, der mich nach dem Nachtmahl am Gang sieht, zu sich hineinruft und mit mir über die Antwort an Falkenhayn und die ganze Frage der italienischen Offensive spricht. Auf seine Frage, was ich von der Note Fanlkenhayns halte, meine ich, ich finde sie nicht unbedingt ablehnend, wohl aber könne dahinter stecken., dass die Deutschen mittun wollen; sei es, dass sie auch hier den Erfolg für sich beanspruchen wollen, sei es, dass sie uns nicht zutrauen, so starke Kräfte wie 16 schlagkräftige Divisionen zusammenzubringen.

Chef sagt etwa: „Ihr (er meint Metzger und mich) könnt nicht denselben Eindruck haben von dieser Zuschrift wie ich, der ich mit Falkenhayn über die ganze Sache mündlich verhandelte. Er zieht sich und macht den Eindruck, dass er nicht mittun will. Entweder will Deutschland eine Niederwerfung Italiens verhindern, weil es dort gewichtige handelspolitische Interessen verfolgt, weil viel deutsches Kapital in Italien gebunden ist, kurz weil es wirtschaftlich auch für die Zukunft mit Italien als Freund rechnen will; oder aber, und dies halte ich für sehr wahrscheinlich, sieht es in Italien jenen Dritten, mit dem es die Monarchie immer im Zaum halten kann, den es gegen uns ausspielen kann: Denn es ist Deutschland nicht erwünscht, dass wir zu groß und zu mächtig werden. Jedenfalls habe ich - fährt Chef fort - immer wieder darauf hingewiesen, dass wir der Entente keinen Zweifel lassen dürfen, dass wir nicht zuwarten können, bis sie uns infolge ihrer reicheren Hilfsquellen und ihres größeren Menschenmateriales überwindet. Ich hatte aber den Eindruck, dass Falkenhayn doch etwas in Frankreich plant, mir es aber nicht sagen will. Man kennt sich mit ihm nie aus. Er ist aalglatt, schlau und nie aufrichtig.“ - Ich erlaubte mir nochmals auf die Möglichkeit hinzuweisen, dass man deutscherseits vielleicht doch mitgehen würde, wenn auch deutsche Truppen mittäten und sagte ganz offen, vielleicht trauen die Deutschen unseren Truppen nicht jene Offensivkraft zu, die für einen solchen Stoß nötig ist. Chef meint, unsere Truppen seien im Gebirge, wie jetzt die serbischen Operationen zeigen, besser wie die deutschen. Ich weise aber auf die große Zahl der Divisionen hin. Er meint, nun wir werden ja sehen, was er auf die von Metzger sehr logisch verfasste Zuschrift sagen wird. - Dies im Wesentlichen der Inhalt des interessanten Gesprächs, das ich noch im Bett spät abends aufzeichne.

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