Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
14.12.1915
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
14.12.1915

Nach der Mittagsmeldung wird im Raum Lardaro - Riva ein allgemeiner Angriff der verstärkten italienischen 6. ID. gegen die Linie M.Nozzolo C.d'Oro erwartet. In den Grenzabschnitten Judicarien und Riva (vom Adamello bis einschließlich des Creino) befinden sich unsererseits etwa 9000 Gewehre; das LVK kann jedoch genügend Kräfte zuschieben, um diese Schützenfront zu stützen. – Auf der Hochfläche von Doberdò ist die Ablösung der schwachen 20.H. und 17. ITD des VII. Korps durch die retablierte 6. und 28.ITD des III. Korps im Zuge. Das Kommando des Abschnittes IV wurde dem Seebezirkskommandanten K.A. Freiherr von Koudelka übertragen; der Stadtkommandant von Triest bleibt dem Abschnitts-Kommando unterstellt. Die Bucht von Sistiana fällt nun dem Abschnitt IV zu. - Das Wetter hat umgeschlagen; es herrscht Ruhe. - Mittags wieder Diskussion über das künftige Oberkommando; ich stehe mit meiner Ansicht, dass dieses sehr klein sein müsse, allein.

Abends gewinnt meine Neugierde Einblick in eine lange Note Falkenhayns, die hauptsächlich die Frage des Krieges gegen Italien im Auge hat. - Mein Haupteindruck über diese Zuschrift ist: Falkenhayn hat das größte Misstrauen, uns eine derartige Operation angehen zu lassen (und man kann ihm eigentlich im Grunde nur Recht geben; denn wir haben nicht eine Offensive dieses Krieges allein glücklich durchgeführt). Die Zuschrift wendet sich zuerst gegen die - anscheinend von Conrad angedeutete - Auffassung, dass Deutschland keinen Krieg gegen Italien führen wolle. Dies sei keineswegs der Fall; Deutschland sei aber nicht in der Lage, auch noch durch diesen Krieg belastet zu werden, da es doch die Hauptlast des Krieges gegen Frankreich, England, Russland und auf dem Balkan zu tragen habe. Hierauf wendet sich die Zuschrift der militärischen Seite der Operation zu und betont die Schwierigkeiten, die einer Versammlung so starker Kräfte (Falkenhayn hält 25 ITD für notwendig), die nur an einer Bahn hängen würde, dem Heranbringen der notwendigen Artillerie und Munition, der Verpflegung im Gebirge entgegenstehen; hiebei wird auf die Erfahrungen in den Karpaten hingewiesen. Sodann wird ausgeführt, dass selbst ein voller Erfolg, der das Ausspringen Italiens zur Folge hätte, die Entente nicht tödlich treffen würde. Schließlich gelangt Falkenhayn, nachdem er von der Operation entschieden abgeraten hat, zu dem Schlusse, unsere Heeresleitung möge auf den italienischen Kriegsschauplätzen nur jene Kräfte belassen, die notwendig sind, um dort verlässlich zu halten; die hier und in Ostgalizien verfügbaren Heereskörper aber der Heeresgruppe Linsingen zuschieben, damit die dortigen, südlich des Pripiatj stehenden deutschen Kräfte abgelöst und für andere Verwendung frei gemacht werden können. Worin diese andere Verwendung bestehen wird, darüber hat er sich noch nicht entschlossen. - Man muss dabei wohl in erster Linie an eine größere Unternehmung in Frankreich denken, für die wahrscheinlich nach Erledigung der Entente bei Saloniki auch die dortigen deutschen Kräfte herangezogen werden dürften; denn im weiteren Orient dürften sich die Deutschen kaum mit starken Kontingenten binden, sondern vielmehr durch Unterstützung mit Munition, Kommandanten und einzelnen Truppenteilen beitragen. - Für uns I-Menschen bedeutet diese Zuschrift Falkenhayns vermutlich das Ende jeder Tätigkeit, die über das Registrieren der Ereignisse und über Stürme im Wasserglas wegen interner Schwierigkeiten hinausgehen.- Nach der Abendmeldung erfolgte in den Judicarien bisher kein Angriff; das feindliche Geschützfeuer ist wirkungslos. Im Küstenland rege Tätigkeit der feindlichen Flieger, von denen einer sogar über Fiume erschien.

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