Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
01.12.1915
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
1.12.1915

Früh erzählt Kageneck, dass er unseren Kaiser auffallend schlecht aussehend, gealtert und auch beim Cercle und in der Konversation nicht mehr von der früheren Lebhaftigkeit gefunden habe. Er erbittet natürlich darüber nichts verlauten zu lassen und erzählt bald darauf, der Deutsche Kaiser hätte sich ganz im entgegengesetzten Sinne geäußert; auch meint Kageneck, es könne der ungewohnte Aufzug so vieler Menschen schuld gewesen sein. Der gestrige Tag verlief an der Front der 5. Armee verhältnismäßig ruhiger. Nur der Tolmeiner Brückenkopf wurde dreimal angegriffen; natürlich umsonst. Das verlorene Frontstück bei Oslavija ist von den Italienern so stark besetzt, dass es nicht zurückgenommen werden konnte. Am M.S.Michele wurde nachts ein überraschender italienischer Angriff abgeschlagen. - Auch nach der Abendmeldung heute „Regen und Ruhe“. - Die Col di Lana Geschichte wird heute mit einer - allerdings sehr zahmen - Nase endgiltig erledigt. Ich schlage vor, dass man dem LVK. sagt, das AOK halte es in der Verteidigung für ratsam und möglich, bei erwarteten örtlichen Angriffen den bedrohten Punkt durch Zuschub von Truppen rechtzeitig und ausreichend zu stützen. - Eine recht verwickelte und grausliche Geschichte ist in Tirol „aufgestierlt“ worden. Dort reisten einige Abgeordnete in das Grenzgebiet und nahmen dabei einen Einfluss auf ihre Wähler, den das LVK für nachteilig erachtete. Dieses verbot daher Reisen der Abgeordneten im engeren Grenzgebiet oder band vielmehr diese Reisen an seine Bewilligung. Hierauf große Aufregung, Protokoll, scharfe Entgegnung, Sache kommt zur Ohren Seiner Majestät, Delegierung des LVM. nach Tirol, alleruntertänigster Bericht, der schließlich auch hieher (von Georgi auf allerhöchsten Befehl) geschickt wird. Wir müssen natürlich zuerst wissen, wie sich das Ganze entwickelt hat, andererseits aber energisch Partei für die militärisch Denkenden (hier Dankl und Eugen) nehmen.

Abends liegen Meldungen vor, die die Haltung Griechenlands und Rumäniens als sehr zweifelhaft erscheinen lassen. Namentlich Jagow gibt nicht viel für Griechenland, das zwar Falkenhayn versprochen hat, es werde die verfolgten Serben entwaffnen, aber nur dann, wenn keine Bulgaren griechischen Boden betreten.

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