Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
06.04.1915
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
6.4.1915

Rückfahrt nach Teschen. Hier angekommen, referiere ich Herrn General über alle meine Eindrücke; abends auch Chef selbst, der mich verschiedenes fragt und eingehend erzählen läßt. Zunächst muß ich erwähnen, dass mich Kless orientiert, gestern sei wegen meiner Meldung, speziell wegen des letzten Passus, treffend die Brennergrenze ziemliche Aufregung gewesen. Es wurde an Falkenhayn telegrafiert, er möge 10 ID schicken, davon 7 gegen I., 3 gegen Rumänien. --- Die Antwort lautete ablehnend, zumal Falkenhayn die nun mitgeteilte Lage als so gänzlich verschieden von der in Berlin beschriebenen bezeichnete. (Habe das Original Telegramm bisher nicht gesehen).

Um 8 Uhr also melde ich mich beim Chef, überbringe die Grüße Bolfras. Er stellt mir zunächst die sehr schwierige Frage, ob schon ein bestimmter Eindruck besteht, dass die Italiener unbedingt zum Krieg entschlossen seien. Dies kann ich natürlich nicht sagen. Selbstverständlich gebe ich ohne weiters zu, dass dieser große Entschluss jetzt schon in Italien gefasst sein wird; die bisherige diplomatische Haltung jedoch, und selbst eine eventuelle bestimmte Forderung lassen noch nicht erkennen, worauf man hinaus will. Es könne sich sowohl um eine Provokation, als auch um ein unserem Minimalangebot entgegengestelltes Maximalangebot zum Zweck des Handelns handeln. Melde hierauf meine Eindrücke über die militärische Lage in I. (kein besonderes Verschieben gegen die Tiroler Grenze, Verschiebung von 6 I., 2 K. Regimenter gegen die Ostgrenze, nichts gegen die französische und bestimmte Nachricht über Truppen Konzentrationen bei Bari Brindisi, gestern auch Nachrichten über Rückverlegungen ins Innere wegen Arbeiterunruhen) und über die Stimmung im Ministerium des Äußern und im Hinterland, die ich nur als schwächlich bezeichnen kann. Weiters bezeichne ich es als höchstwahrscheinlich, dass Italien zumindest das Tempo seiner Verhandlungen nach der Karpaten Schlacht richten wird und dass unsere öffentliche Meinung dringend nach einem Erfolg verlange; ich wage es auch klar auszusprechen, dass hier deutsche Hilfe kommen müsse. Conrad sagt, das sei alles recht schön, aber es seien keine Kräfte da... Abends erörtere ich die Gesamtlage gegenüber Hauptmann Falk der übrigens durch Kless bereits vertraulich ziemlich unterrichtet wurde. Ich bezeichnete die Lage der 2. Armee als kritisch. Die heutige Abendmeldung dürfte hierüber weiter Klarheit bringen. Diese Armee gibt bereits jedem feindlichen Druck nach. 2 - 3 deutsche Divisionen könnten jetzt noch genügen; in einigen Tagen allerdings würde man viel mehr brauchen. Falk sagt mir zu, dass das Möglichste geschehen wird, auch auf Gefahr hin, in Mézières nicht angenehm zu sein. Im Westen ist auch ein großer französischer Angriff im Gange zwischen Maas und Mosel. Die Franzosen nahmen einige frühere Linien, es wird aber noch gekämpft und besteht wie immer feste Zuversicht, den Angriff zumindestens abzuwehren, wenn nicht sogar durchdringen, daher nachzurücken. Falk zweifelt nicht daran, dass die erforderlichen Kräfte gesandt werden können, wenn sie gesandt werden müssen. Das ist der springende Punkt; es fehlt wieder an der ausreichenden Orientierung, die nach meiner Ansicht im Weichen kritisch liegt ----

Nun bin ich aber wirklich schläfrig, noch ein Brief an Mietzchen, damit Schluss. -

In der Nacht zum 7.4. geht eine lange Depesche nach Mézières, die das Verhältnis zu I. und die ganze Kriegslage beleuchtet. Ihr wesentlicher Inhalt ist: Um unseren Truppen gegen I. für den äußersten Fall den notwendigsten Kern zu geben und Pola zu halten, wurde die Verwendung von 7 ID ins Auge gefaßt; diese Kräfte müßten deutscherseits in den Karpaten restituiert werden. Vorerst muß alles aufgeboten werden, um ein radikales Eingreifen I s, dem auch das Eingreifen Rumäniens folgen würde, zu verhindern. "Für Zusage einer eventuellen Unterstützung in den Karpaten sehr verbunden; bitte, versichert zu sein, dass un sererseits alles getan wird, um die Karpaten Front zu halten." (Dass die Lage kritisch ist, wird also nicht gesagt. Ich besorgte dies früh wieder gegen Kagenek. 2. Armee ist zerschlagen, Gruppe Szurmay wackelt). Eingreifen I. s nach der 2. Aprilhälfte nur durch militärische Erfolge zu vermeiden. Offensive gegen Serbien ohne Entscheidung nicht zweckmäßig. Im Westen rasche Erweiterung des bisherigen Erfolges auch bei Einsatz starker Kräfte kaum möglich. Abwehr feindlicher Angriffe mit Einsatz der schon fertig gewordenen und nach Westen dirigierten Kräfte verläßlich möglich. Zu bedenken, dass nennenswerte deutsche Erfolge im Westen das Verhalten Italiens und Rumäniens wohl weit weniger beeinflussen würden als ein Erfolg gegen Rußland. Daher Verwendung der nächsten deutschen neuen Formation gegen Rußland, um die hier so oft angestrebte und bisher noch nicht erreichte Überlegenheit zu erlangen und. dazu auszunützen, Feind hinter Weichsel - San - Dnjester Linie zurückzudrängen. - Für diesen Zweck Einsatz des Gros der neuen Formation beim deutschen Ostheer; andere namhafte Teile bei Südarmee und Pflanzer. Gleichzeitiges Vorgehen an beiden Flügeln; vielleicht Möglichkeit mit Russland zu einem Arrangement zu kommen.

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