Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
24.09.1914
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
24.9.1914

Die neuen Entschlüsse über die nächsten Operationen gipfeln in folgendem: Die Deutschen Kräfte ergreifen die Ostoffensive mit dem rechten Flügel auf Kielce in der Absicht, den Feind zu umfassen. Unsererseits haben am linken Weichselufer 5 I und 2 KTD der 1. Armee am 30. an der unteren Nida zu stehen; dort bei Pinczów auch das deutsche Landwehrkorps. Südlich der Weichsel verbleiben in den ausgemittelten Stellungen östlich des Dunajec 6 Divisionen der 1. Armee, anschließend die 4. Armee bis Gorlice, sodann die 3. hinter der Ropa. (der Rückzug ist also gebremst). Die 2. Armee hat sich im Raum Sztropkó, Alsópagony-Alskomarnok zu versammeln, einer feindlichen Vorrückung südlich der Karpathen entgegenzutreten und für die allgemeine Offensive in nordwestlicher, nördlicher oder nordöstlicher Richtung gruppiert zu sein. – Ein bischen viel verlangt. – Die Nachrichten über den Feind lassen erkennen, dass er mit Vortruppen bis an die Wisloka, Sedziszów, Rzeszów, Ostfront Przemyśl, Dobromil und an den Uzsoker Pass gelangt ist. Nördlich der Weichsel beginnt er anscheinend in der Gegend nordwestlich der Wisloka-Mündung zu kitzeln. Auch an der Nida-Mündung sind bereits feindliche Kräfte gemeldet.

            Potiorek verlangte wieder dringend Nachschübe und Unterstützungen. Es ist aber nichts zu bekommen; so beantrage ich, wenigstens das Landsturm Regiment 27 aus Triest fahren zu lassen, das übrigens am raschesten dort sein kann; dann ein bisschen Artillerie. Alle Versuche, eine Division der 2. Armee zu verlangen, bleiben vergeblich.

            Nachmittag höre ich von Eisner eine ähnliche Schilderung der Verhältnisse bei der 3. Armee, wie gestern von Zeynek bei der 4. Hinter der zurückgehenden Armee wird geraubt und geplündert; ein sehr großer Teil der Landesfuhrwerke musste liegen gelassen werden; viele Staffel wurden abgeladen – wer weiß wo. – An allen Straßen eine Menge verendeter Pferde. – Interessant ist die Antwort, die das Oberkommando der Deutschen 9. Armee gestern dem Chef gab: Man sagte direkt, der von ihm in Aussicht genommene Zeitpunkt zur Entschlussfassung sei zu spät. Die Deutsche 9. Armee wird schon am 29. marschbereit sein und müsse auch marschieren, um den Feind sicher umfassen zu können. Dazu müsste aber schon jetzt der Entschluss gefasst werden, starke österreichische Kräfte auf das nördliche Weichselufer zu dirigieren. Man zweifle zwar auch sonst nicht am Erfolg; es würde aber kein Tannenberg sondern nur ein Mukden werden. – Überall Anzeichen eines Nachlassens der Disziplin in unserem Heer. Auch in Neusandez muss ein Kommando geschaffen werden, das die Isolierten – Mannschaft wie Offiziere – zusammenfängt.  Prich bringt heute circa 500 zusammen! und dies am Standort des Oberkommandos. – Abends muss Schneider mit dem EOK beraten, um das Standrecht für den unbefugten Aufenthalt beim Train zu konstituieren. – Nach einer Version soll der Einjährig Freiwillige (bei irgendeinem Dragoner Regiment) Graf Berchtold, der Sohn des Ministers in das Hauptquartier kommen und dem General Giesl zugeteilt werden.

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