Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
17.09.1914
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
17.9.1914

5 Uhr früh lande ich mit dem Auto, überbringe die Situationen der 1. und 4. Armee, sowie eine Menge Briefschaften und erfahre gleich von Schneider, dass die Gruppe Rohr aufgelöst worden sein soll. – So schlimm ist es nun tatsächlich nicht; immerhin sollen alle Marschbataillone des 3. und 14. Korps nach Norden abgehen. Diese Sache gibt zu langen Erörterungen Anlass; ich vertrete den Standpunkt, dass man jetzt vor dem venti settembre, im Südwesten absolut alles belassen müsse. Dies scheint auch abends durchzudringen; daher erreiche ich, dass Rohr zuerst die Grenzbataillone aus seiner Reserve ersetzt haben muss. – Die ganze Sache gibt mir Gelegenheit das erste Mal mit Oberst eingehend über Politik zu sprechen. Ich lasse es ruhig über mich ergehen, wenn er mir vorwirft, ich beachte zu viel die Volksstimmung und die Diplomatie; sage, dass müsse man auch in diesem Fall, oder soll man etwa den Eindruck des Aufgebens und einer fluchtartigen Räumung im Südwesten hervorrufen? Und dies zu einem Zeitpunkt, wo alles auf des Messers Schneide steht und die Haltung Rumäniens (Daumen halten!) wieder etwas günstiger erscheint? Auch mit Hasse spreche ich mittags in diesem Sinne. Die Deutschen sind also auch zuversichtlich. Hasse betont, wir müssten jetzt entscheidend eine Verteidigungsstellung einnehmen und das Eingreifen der zur Unterstützung herankommenden deutschen Kräfte abwarten. Darin hat er ganz Recht, und es soll anscheinend auch so geschehen. – Abends lese ich ein Telegramm des Deutschen Kaisers an unseren vom 16., worin er den Kampf mit Russland als sehr schwer bezeichnet und sagt, den Schlüssel zum Siege hält Rumänien in Händen. Hoffentlich wird es unserer Regierung gelingen, die dortige Mißstimmung gegen die Monarchie zu beseitigen und Rumänien zum Mitgehen zu bringen. Also, einen schneidigen Entschluss! Man lasse die Rumänen ruhig die russischen Truppen aus der Bukowina herausjagen, über die Gebietsverteilung reden wir später ....

            Unsere Armeen lösen sich vom Gegner wirklich (Daumen halten! Schon wieder) ohne ernste Kämpfe los. Gestern allerdings, zwischen 5 und 6 Uhr abends, hörte ich in Łancut heftigen Kanonendonner aus östlicher Richtung; wird wohl nur eine große Schießerei um Jaroslau gewesen sein. Zeitungsmeldungen lassen erkennen, dass auch die Russen schwer gelitten haben und dass sie sich die Sache gegen die Monarchie viel leichter vorstellten. Auch sonst wird die Stimmung um einen Ton günstiger. Französische Presse gibt angeblich selbst wieder zu, dass es nicht sehr gut stehe; in Indien sei ein Aufstand ausgebrochen. So stürzt vielleicht dieser ganze komplizierte Apparat der triple entente, die Truppen aus aller Herren Länder und womöglich noch die gelbe Rasse mobilisierten, in sich zusammen?! – Genug damit. – Genug von Krieg und Politik. In diesem Tagebuch steht schon gar nichts mehr von meinem Mitzchen ... und doch – diese Wünsche, diese Sehnsucht, dieses Verlangen – wie ein Jüngling nach einem Mädchen. Oh das waren Stunden – gestern im Auto – dieses Betrachten eines lieben, zu lieben Bildes ..... Störung – und Schlafengehen, es ist das Beste.

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