Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
15.09.1914
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
15.9.1914

Nun ist es klar, dass die Deutschen mit aller Beschleunigung 9 Divisionen nach Galizien schicken; das heißt, es ist noch nicht sicher, ob 4 oder 5 Korps. Dies soll noch von der Entwicklung der Lage bei der österreichich-ungarischen Armee und am Njemen abhängen. Das Gardereservekorps soll schon in der Nacht vom 18. auf den 19. bei Krakau ausgeladen werden; die ganze Streitmacht dürfte gegen Ende des Monates dort versammelt sein. Hoffentlich wird diese Kraft ordentlich verwertet. Man wird sie umsomehr brauchen, als auch die Rumänen in den nächsten Tagen loslegen dürften! – In der R Gruppe scheint es nicht mehr beim alten zu sein. Chef der Operationsabteilung und Chef des Generalstabes konferieren ohne Christophori. Schon gestern hat dies begonnen, heute wird es den ganzen Tag fortgesetzt. – Der Russe hat wenig gedrängt, Plehwe scheinbar gröblich gepatzt. Immerhin dürfte bei Przemyśl ein ziemlicher Sauhaufen gewesen sein; immerhin nächtigten 5 Korps im unmittelbaren Festungsbereich! – Nun heißt es aber, meiner lieben Frau schreiben, da mir die Post nicht weniger als 7 Karten brachte ! –

            Nachmittag gegen 5 Uhr höre ich, dass noch immer kein Entschluss gefasst wurde; es seien wieder Telegramme der Deutschen über die von ihnen beabsichtigten Operationen (von Wołbrom aus) gekommen. Gleichzeitig trifft die Nachricht über den Umfang des Sieges Hindenburgs über Rennenkampf und die Niederlage der 3. russischen Reservearmee bei Luck ein. Die Arbeit bei uns scheint zu stagnieren; kein Entschluss, kein Befehl; es gilt also noch immer der leitende Gedanke. Boroević  soll circa 3 Uhr mit Chef gesprochen haben. Es wäre dringend geboten, dass deutsche Generalstabsoffiziere in die Operationsabteilung kommen. Die Stimmung ist wieder besser; das entspricht unserer Leichtfertigkeit. Auffallend ist, dass man sich schon mit dem Gedanken eines sehr engen Anschlusses an Preußen vertraut gemacht hat. – Die Nachrichten über eine baldige Offensive Rumäniens gegen die Monarchie mehren sich; angeblich soll sie schon Samstag beginnen (und heute ist Dienstag), das wäre also am 19. –

Vom Balkan Kriegsschauplatz kommen günstige, aber zu einer ordentlichen Ausarbeitung noch zu unbestimmte Nachrichten. Und jetzt hänge umso mehr davon ab, bald einen großen Sieg melden zu können, als Bulgarien leichter zum Mitgehen gegen Serbien zu gewinnen sein dürfte, wenn es seinen Rücken infolge des Vormarsches Rumäniens gegen die Monarchie frei weiß. Einzelne Nachrichten lassen auch schon die Absicht eines Krieges Bulgarien und der Türkei gegen Serbien und Griechenland durchblicken. –

Ich halte es für notwendig, mit einem Herrn aus dem Stabe Potioreks zu sprechen, um klarer zu sehen, als es die Situationsmeldungen erlauben; einen Vorwand finde ich durch eine Anfrage über die Verluste beim I.R. 79, über die serbische und italienische Zeitungen nicht genug sprechen können. –

            Ulmanski teilt mir mit, dass die Sache wieder auf des Messers Schneide steht und der serbische Übergang nach Syrmien nur eine sehr geschickte Demonstration gewesen sei. Dementsprechend spricht unser Pressecommuniqué nur von der Abweisung des feindlichen Saveüberganges. – Gespräch mit Kless, dem auch Slameczka zuhört. Über die Verhältnisse in unserem Generalstab, speziell über unsere Erziehung zur Tätigkeit. Oberst und Christophori sind schon so ziemlich fertig, Chef gleichfalls.

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