Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
06.10.1914
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
6.10.1914

Unsere Armeen gestern ohne größere Kämpfe planmäßig vorgerückt. Die Deutschen und unsere Armeeteile nördlich der Weichsel gelangten nach Gefechten – gegen wie starken Feind, überblickt man noch nicht genau – bis an den Fluß. Die russischen Kräfte im Sanwinkel, wenigstens das XIV. Korps scheinen in recht schwieriger Lage zu sein. – Waldstätten telefoniert, man stehe nun an der Weichsel und wisse nicht, was zu tun.

            2 Uhr nm. geht ein neuer Befehl hinaus, der im Prinzip anordnet: 1. Armee bleibt nur das I. Korps nördlich der Weichsel, um dem Feind das Vordringen über den Fluss zu verwehren, oder selbst überzugehen, wenn er Kräfte abziehen will. Rest der ersten Armee schlägt den Feind im Sanwinkel. – 4. Armee erreicht heute Czudec-Kolbuszowa; 3. rückt mit Mitte Direktion Przemyśl, 4. südlich der Linie Trzianice-Drobomil (also mit ziemlicher Rechtsschiebung), mit einer starken Kolonne gegen Sambor vor, um den Feind südlich Przemyśl zu umfassen. –

            Von Przemyśl ist bekannt, dass der Infanteriangriff gegen die Siedliska-Gruppe auf 800 Schritt an die Werke herangekommen ist. Jedenfalls scheint sich der Russe zu tummeln; über eine ernstliche Beschießung weiß man aber noch nichts.

            Abends kommt Raabl von Przemyśl zurück, erzählt sehr interessant, dass dort alle russischen Angriffe mit sehr großen Verlusten abgeschlagen wurden. Kusmanek, in den man wenig Vertrauen hatte, soll sehr gut sein. Wirkung unserer 30.5 Mörser furchtbar, auch Russen hatten Wirkung gegen Siedliska gemacht.

            Aufgeregte Diskussion wegen der Pressecommuniqué-Angelegenheit. Mor behauptet, dass Giesl in der Sache recht habe. Ich widerlege ihn sachlich durch Vorweisung der einzelnen Communiqués. Er meint sogar, man hätte der Öffentlichkeit sagen sollen, wo wir nach dem Rückzug stehen u.s.w. u.s.w. Abends bricht Hohenlohe eine Lanze für die Stellung des Vertreters des Ministeriums des Äußeren. Ich trachte sachlich zu bleiben. Glaube übrigens, dass das nur Vorhutgefechte sind; hinter Giesl dürfte der Minister stehen. Übrigens geht die ganze Intrigue vom Legationsrat Wiesner aus.

            Aus den bis abends eingelangten Meldungen der Armeen lässt sich erkennen:

            4. will schon morgen mit Teilen bereit sein, eventuell in den Kampf der 1. unterstützend einzugreifen; weiterhin sollen 6 Divisionen nördlich, 3 Divisionen südlich der Przeworsker Bahn vorgehen; am 9. soll die Armee in der Linie Pruchnik-Przeworsk-San stehen. –

            3. Armee hat ihr Marschziel (Mitte Domoradz) ohne wesentlichen Kampf erreicht, allerdings nur mit den Teten, Korps hängen noch sehr weit nach, Trains bleiben stecken, Truppen sehr müde; daher morgen Rasttag (aufschließen). –

            Tisza fragt sehr energisch über die Lage in den Karpaten, speziell in den Komitaten Marmaros und Bestercze-Naszód an. Bin immer dafür, diesem großen Mann entgegenzukommen und erreiche auch, dass man ihn ausführlich orientiert. Übrigens bekommt er jetzt immer die Tagesberichte.

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