Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
29.10.1914
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
29.10.1914

2. Armee: 9.30 vm.

            Auszug aus gestriger Disposition: Es haben zu gewinnen: Gruppe Tersztyánszky Höhen Matiu 796 – Isajska ya 817 und beiderseits Jasionkamas, mit Detachement Höhe Werski 697 und Raum Majdan. – Gruppe Krautwald (34 I + 4 K) Höhen westlich Linie Luzek grn. – Busowisko-Terszow (4.K als Rückhalt bei Lenina). Diese Linien sind nach Erreichung sofort ausgiebig technisch zu verstärken. Überdies sind, um größeren Rückschlägen vorzubeugen, rückwärtige Stellungen herzurichten. Absicht in diesen Linien Herankommen von Verstärkungen abzuwarten.

            Vormittag erzählt Lorx, die Deutschen hätten gestern verlangt, dass die beiden Chefs der Generalstäbe zu einer Besprechung nach Berlin zusammenkommen. Unser Chef lehnte jedoch ab, weil er hier keinen Vertreter habe. (Stimmt!). Zwischen Erzherzog und Chef soll es eine ziemlich scharfe Auseinandersetzung wegen des gestrigen Telegrammes an den großen Generalstab gegeben haben, das dem Erzherzog gar nicht gezeigt wurde. –

            Mittags bin ich bei Vorlage des Rapports Zeuge der interessanten Verhandlungen wegen Entsendung Kundmanns zu den Beratungen nach Berlin, die unter Zuziehung Ludendorffs am 30. 10h vorm. stattfinden. An diesen Beratungen nimmt der preußische Kriegsminister, General Falkenhayn, in Stellvertretung des erkrankten Chefs des großen Generalstabes teil; Exzellenz Conrad wird dazu eingeladen, antwortet aber, dass er jetzt nicht abkommen könne, da eventuell jeden Augenblick weittragende Entschlüsse gefasst werden müssten. Oberst Metzger schlägt Conrad vor, Kundmann zu schicken, der um zurechtzukommen, jeden Augenblick fahren muss und daher sofort Instruktionen (mündlich) bekommt. Deren wesentlicher Inhalt sei im folgenden kurz wiedergegeben:

            „ Chef lässt die Preußen bestens grüßen und sie bitten, sie mögen in seinem Fernbleiben keine Unfreundlichkeit erblicken; er könne jetzt nicht abkommen, da unter Umständen sehr schwerwiegende Entschlüsse zu fassen sein werden. Hier ist beabsichtigt, mit den Kräften südlich der Weichsel solange in den gegenwärtigen Stellungen zu bleiben, als die 1. Armee nördlich der Weichsel die Stellung Zawichost-Kielce halten kann, was wieder von der Sicherung ihres Westflügels gegen Umgehung abhängig sei. Wenn nötig, Rückzug in westlicher Richtung; 1 Armee und womöglich 1 Korps der 4. nördlich Krakau, 1 Korps nach Krakau, 2 Korps und die 3. südlich der Festung; 2. wieder über die Karpaten. Dringend erwünscht, dass deutsche 9. Armee keine (napoleonische) Operation und Verschiebungen macht, sondern im Anschluss bleibt und dass neue deutsche Kräfte nördlich der 9. eingesetzt werden. Sollte die Linie von Krakau nicht behauptet werden können, weiter Rückzug gegen die Donau-Strecke Wien, Preßburg. Im Übrigen habe Chef alles telegrafiert. Kundmann bekommt Skizze, in der auch die weiteren Absichten beiläufig festgelegt sind, mit.“ – Zum Schluss der Besprechung verglich der Chef die Deutschen mit jener Hausfrau, die – als mehr Gäste kamen als erwartet wurden – die vorbereiteten Käsestangen durch Entzweischneiden vervielfachte. Diese Anekdote ist bezeichnend für Beurteilung der Deutschen! – Um 1 Uhr Nachmittag kommt noch ein Telegramm aus Meziérès, das die Teilnahme des Chefs an den Beratungen erbittet. Umsonst, Kundmann reist. –

            Um 3 Uhr geht an alle Armeen eine Disposition hinaus, die besagt, dass es die große Überlegenheit des Feindes in Russisch Polen in den nächsten Tagen notwendig machen kann, die 1. Armee an die untere Nida, die 4. und 3. Armee im Allgemeinen in die Ende September in Aussicht genommene Verteidigungslinie und die 2. Armee in den Raum um Sztropkó zurückzunehmen. Bewegungsräume werden bereits zugewiesen, damit für die Gruppierung und Abschub der Trains, Zuweisung und Herrichtung der Marschlinien, Vorbereitung von Zerstörungen und Heranziehung von Ergänzungen rechtzeitig Vorsorge getroffen werden könne. – Soweit also sind wir wieder. Ich halte diese Disposition zu mindestens für sehr vorgeschossen! –

            Abends ersucht Bolfras um Bekanntgabe, ob und was Moltke auf das Telegramm vom 27. antwortete. – Chef sagt: Moltke krank. Falkenhayn proponierte Rendezvous mit mir in Berlin. Mein Abkommen jedoch unmöglich, daher wurden diesseitige Vorschläge für nächste Operationen telegrafisch bekanntgegeben, überdies schriftlich mit Spezialbehelfen durch Flügeladjutant heute nach Berlin gesandt und telegrafisch Vereinbarung erbeten.

Nun die Nachrichten.

            2. Armee: meldet 3.50 erneuert die vom IV zu erreichende Höhe. – Eine 2. Verteidigungslinie soll geschaffen, Reserven sollen gebildet werden; nach Ansicht des Armee Kommandos sollte IV je eine KTD nach Wolcze, Turka und Borynia dirigieren.

            3. Armee: 9h nm: Gefecht bei Gruppe Krautwald und IV steht anscheinend sehr günstig. Südflügel XII hat Feind bis Westlisiére Terszów und Spas.

            940 nm. Feindliches Munitionsdepot Stary Sambor durch Artilleriefeuer in die Luft gesprengt. Gruppe Tersztyánszky hat überall Raum gewonnen.

            4. Armee: 12.40 nm: Stände stark reduziert; Gefechtsstand Kavallerie nur 100; nach Einschieben der Marsch-Bataillone u.s.w.: Inft.Baon. 700-800. Erster Transport der 4. Marsch Baon. 29.10. auswaggoniert.

            3h nm. Feind Maßnahmen gegenüber San Abschnitt Rudnik-Sanmündung sprechen sich immer mehr zu einem starken Angriff aus. Die bereits am Westufer befindlichen feindlichen Kräfte werden bedeutend verstärkt. Raclawice geräumt, Nisko in eigenem Besitz.

            945 nm.: Raclawice teilweise wieder erobert.

            30.10. 915 vm.: Raclawice wieder in eigenem Besitz. Gegner hinaus geworfen. Fort. Arbeiten schreiten fort. (Meist schon beinahe sicher)

            740 nm. 4. ITD wird in der kommenden Nacht aus Gefechtsfront gelöst und hat bis morgen abends nach Przeworsk zu gelangen.

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