Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
20.10.1914
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
20.10.1914

Morgenmeldungen: (19.10. 10h nm.)

            4. Armee: Bei Jaroslau heftiger Nachtangriff. – Starke Kräfte bei Bieliny und Nowa Wies (zwischen Krzeszow und Nisko) übergegangen. Zunächst nebst 2. und 9. KTD. 10 Baon./VI, 2 B/24. ITD eingesetzt. Da diese nicht durchringen konnten, am 19. Nm. 17 B/XIV, 6. 10. KTD auf Rudnik dirigiert. –

            Gegen Manasterz: 3 B/XVII, 54. I. Brig./27. ITD. Bis zum Abend gelang es nicht, diesen Feind zurückzuwerfen; die 13. ITD wurde sogar etwas in südlicher Richtung zurückgedrängt.

Anschauung des AK: Zuerst übergegangenen Feind zurückwerfen; sodann bereits eingeleitete Ablösung X. durchführen. Nach Zurückwerfen des Gegner alle zu erübrigenden Kräfte (3-4 I und 1 KTD) im Raume Przeworsk-Łancut zu vereinigen, was allerdings nicht vor 23. durchgeführt werden könnte. – Bis zur Vereinigung dieser Kräfte dürfte es klar gestellt sein, ob eine Forcierung des San im Raum Jaroslau und nördlich davon zweckmäßig oder ein Eingreifen in den Kampf der 3. und 2. Armee. Voraussetzung hiefür allerdings, dass X. und 2. K, 9 K. am San verbleiben. – AK glaubt, dass in Versammlung dieser starken Gruppe bei Przeworsk- Łancut schon an und für sich eine solche Bedrohung für den Gegner liegt, dass eine größere Offensive über den San nicht in Betracht kommt. –

            Die Deutschen haben nach einer Meldung von gestern 10 Uhr nachmittag den Eindruck, dass eine russische Offensive unbedingt nicht beabsichtigt und kaum möglich ist (Hindernisse). Deutsche würden sich freuen, wenn österreichische 30.5 Mörser kämen, um Werk niederzuschlagen, damit sie angehen können. Truppe sehr guter Stimmung, es wäre schade, sie zurückzunehmen. Gesamteindruck: Je mehr wir zuwarten, desto mehr Kräfte werden die Russen nach Norden verschieben können, wo Hauptentscheidung fallen dürfte.

            8 Uhr nm. Meldung der 2. Armee:

            IV. Lage stationär. Erst Verstärkungen gestern abends auf Höhe Huta und in Topolnica eingelangt.

            XII. Gleichfalls unverändert. 7 Uhr nachm. heftiger Angriff auf Nordflügel 35 abgewiesen. 28. soll Blozew grn genommen haben.

            Pflanzer: Sereth genommen. (Feind vertrieben); Raum nördlich und nw. Körözmezö genommen, heute 20.10. Jablonicapass an. Fml. Durski Königsfeld, dort Rafailowa-Osmoloda. – Hoffmann wird 20. Richtung Drohobycz in Kampf 2. Armee eingreifen. 131. Brig. Mezine rückt 20. Stryj.

            Um Mitternacht 19/20.X. wurde der 4. Armee eröffnet:

Die Tatsache, dass der Feind an 4 Stellen angesichts der Truppe der 4. Armee den San überschreiten konnte, ist kaum anders erklärlich, als dass er mit der Absicht hinüber gelassen wurde, um ihn dann zuverlässig zu schlagen. Den übergegangenen Feind vollständig zu schlagen und nicht bloß über den Fluss zurückzudrängen, ist nächste Aufgabe der Armee, welche ja 10 Divisionen hiezu zur Verfügung hat. AOK gewärtigt entschiedenste Einflussnahme auf alle Unterkommandanten; am 20. abends darf kein Feind mehr am linken Sanufer stehen, damit befohlener Abmarsch des X. Korps an die Weichsel ungehindert vor sich gehen könne. Ein feiner, kluger Befehl; noch besser wäre er ohne die unnötige Schärfe des 2. Teiles.

            3. Armee meldet mittags: Um Folw.Antonowka wird noch gekämpft; Angriff des XI. Korps schreitet vorwärts.

            Auf eine Anfrage der 1. Armee über ihre Aufgabe nach dem beabsichtigten Angriff auf die russischen Kräfte bei Iwangorod (7. öst.ung., 2. deutsche Division) wird ihr bekanntgegeben, dass sie im Anschluss an die 9. Armee und im engsten Einvernehmen mit dieser den im Raum von Warschau gemeldeten Feind zu schlagen haben werde. (Die Anfrage wollte wissen, ob man nicht mehr an eine Weichselforcierung denke). –

            3h20 nm. Situationsmeldung über die Deutschen:

Deutsche Warschauer Armeegruppe hat sich im Laufe der Nacht glatt vom Gegner gelöst und erreichte in ersten Nachmittagsstunden Linie WIskitki-Mszonow-Grojec. Russen beschossen bis 9 Uhr vorm. die von den Deutschen vor Warschau verlassenen Schützengräben.

            Kombiniertes Kavalleriekorps bei Lowicz. Russischer Nachtangriff bei Kozienice zurückgewiesen. Dermalen dort und bei Iwangorod Kanonade im Gange. Zwischen Nowo Georgiewsk und Wyssopad wird geschanzt. (Angeblich dort nur Verschiebung größerer Kavalleriekörper der Russen geplant, sonst Defensive beabsichtigt).

            Die Abendmeldungen von der 2. und 3. Armee sind sehr, sehr ernst. Die 4. Armee meldet ihre Situation um 6h30m nm.: Die 102. Lst.Brig., kaum noch eine Kompagnie stark, wurde von einer Kosaken Division gegen Jasienka solna (westlich Drohobycz) zurückgeworfen. Sonst alles stationär. Antransport 2. Lst.Brig. verzögert sich noch derart, dass sie nächste Höhe Huta (sö. Zwor) nicht vor 22. versammeln kann. Schwere Artillerie kann auch erst an diesem Tag eingreifen. Die 3. Armee disponiert für morgen (nach einer Beschämung des IX. Korps, das den Gegner bei Grabowice-Wysovko herüber ließ) mit Rücksicht auf die Munitionsknappheit (die in den nächsten 2 Tagen nicht wesentlich gebessert werden kann) einstellen des Angriffes. (Angegriffen darf nur dann werden, wo dies ohne Artillerieunterstützung erfolgversprechend ist. –

            4. Armee, 8h30m nm.: Bei Jaroslau Situation unverändert. XVII/12B hält sich verlässlich. Mörserbatterie brachte nach 4 Schuss feindliche Artillerie zum Schweigen. – Die gegen den bei Manasten und südöstlich Lezachow (Lubaczowka Mündung) eingesetzten 19B nahmen Ortschaften nächst des Flusses. II. wies feindlichen Übergangsversuch nächst Leżajsk 20./10. vorm. ab; zerstörte angesammeltes Artilleriematerial. – Eigener Angriff bei Bieliny und Rudnik nicht durchgedrungen; 5 Uhr nm. werden 19 Baone./VI erneuert eingesetzt. – Gegen Nowawies greifen 28B/XIV nach ausgiebiger Artillerie Vorbereitung an. – Auch bei dieser Armee Munitionsmangel. Über Zustand, Geist und Kampfwert der Truppe Berichte abverlangt.

            Klusaček erzählte mir heute abends über seine Exkursion zur 3. Armee. Er sah das XI. Korps im Nachtmarsch. Alles, auch Offiziere, sehr abgestumpft und ermüdet. Auch sonst, im Rücken der Armee, wenig erfreulich. Niemand kümmert sich. Allerdings scheint es mir, dass er etwas übertreibt. Er legt auch einen Bericht vor, der mir aber jetzt recht unzeitgemäß scheint, da er auf die ohnedies schwierigen Entschlüsse des Chefs höchstens lähmend wirken kann.

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