Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
11.10.1914
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
11.10.1914

Nach süßen Träumen von den Meinigen anno 08 hielt es mich im Bettchen nicht länger. – Die Situation stellt sich mir nach den Nachtmeldungen folgendermaßen dar:

            IV. Korps ist zu erneuerten Angriff auf den Feind nördlich Turka, der eine verstärkte Stellung innehat, gruppiert.

            2. Armee erreichte ohne Kampf mit Teten Starosol-Chyrów; ob auch Dobromil, ist nicht bekannt. Bei dieser Armee besteht die Absicht, heute die Rückzugsstraße des bei Turka stehenden Feindes in der Gegend südlich Stary Sambor zu gewinnen und mit starker Kraft auch schon nach Sambor vorzugehen.

            Von der 3. Armee ist nur bekannt, dass das Armee Kommando heute nach Przemyśl gelangen soll und das III. Korps bei Rokielnica (nw. Prz.) in den Kampf getreten ist.

            Der 4. Armee hat sich der Gegner an der Mluzka (bei Przeworsk) wieder gestellt. Gegen Sieniawa wurde er in die Flucht geschlagen. Auch bei Leżajsk musste er weichen, in dieser Gegend sollen aber neue Kräfte übergegangen sein. Gegen Krzeszow sind wir gleichfalls im Vordringen.

            Die 1. Armee und das ihr ab heute unterstellte XI. Korps stehen noch. – Vor Iwangorod kämpfen die Deutschen gegen abgebrochene, etwa gleich starke Kräfte; gegen Warschau sind sei im vordringen, um heute in südlich der Festung vermutetes russisches Korps zu schlagen. –

            Vormittag kommt von den Deutschen die Nachricht, dass ihnen ein überlegener Angriff über die Weichsel drohe. Hier spricht man von 3 russischen Armeen.

            Unser Transport mit schwerer Belagerungsartillerie wird sofort zurückgeleitet. Mit allergrößter Energie aber ohne Aufregung seitens der Deutschen.

            Die erwähnte deutsche Depesche (eigentlich von Fleischmann) wurde hier um 10h15m Vormittag präsentiert. Fleischmann sagt darin – (nicht sehr geschickt und taktvoll) – beim deutschen Oberkommando sei man deprimiert. Die Depesche sagt weiters, dass 5 russische Armeen, die (übrigens schwache) Warschauer Armee, dann die 2., 4., 9. und 5. Armee unmittelbar vor dem Weichselübergang stünden, um die in russisch Polen vorgedrungenen deutschen Kräfte anzugreifen. Weiters ersuchen die Deutschen um 2 Divisionen; diese werden sofort auf Solec dirigiert (was ich gut finde). Viel Brückenschlag an der Weichsel! – Ich halte die Lage für keineswegs schlecht; im Gegenteil, die Operation der Deutschen ist vollkommen gelungen; der Gegner musste sich verschieben, statt vorzugehen.

            Die von uns ergehenden Befehle besagen, abgesehen von der Zudirigierung der 2 Divisionen nach Solec im Wesentlichen: 4. Armee dirigiert sofort ein Korps nach Bilgoraj; Rest stellt sich am San zum Übergang bereit; 3. deckt den linken Flügel bis Jaroslau aus. Dieser Befehl ist ebenso gut und klug wie die gestrige Disposition verfrüht und unnütz: nochmals gesagt, ich beurteile die Lage durchaus rosig. –

            2 Uhr lese ich ein Telegramm der Erzherzogin Zita, das von der günstigen Wirkung des gestrigen Pressecommuniqués sprach; in mehreren Theatern wurde die Vorstellung unterbrochen, um die günstige Nachricht zu verlesen. –

            Nachmittag meldet das 2. AK, dass das VII. Korps seit vormittags im Kampf bei Starosol (zwischen Chyrów und Stary Sambor) sei und dass starke feindliche Kräfte nördlich des Strwiar vorrücken. – Ich höre, dass das XII. und IV. Korps eingreifen werden. –

            Abends kann man einer ziemlich unklaren Meldung der 4. Armee entnehmen, dass sie gestern nahe an Sieniawa angelangt sei, die Wislok Brücke bei Tryncza aber nicht nehmen konnte, dass ein Korps in Leżajsk und südlich davon nächtigte. Von Przeworsk ging der Gegner nachts zurück.

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