Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
22.11.1914
Wählen Sie aus:
Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
22.11.1914

Die Russen wissen seit gestern, dass wir ihren Chiffreschlüssel hatten. Die künftige Geschichtsschreibung wird nicht genug hervorheben können, wie leicht wir es bisher hatten; die Karten des Feindes waren vollkommen aufgedeckt; man wusste stets sofort seine ganze Lage: ja sogar alle Befehle. Es kam sogar vor, dass man die eigene Situation aus den feindlichen Radiodepeschen früher erfuhr, wie aus den eigenen Meldungen!

            Przemyśl. Ausfall am 20.11. mit 18 Bataillonen, 11 Batterien, Hauptkraft auf Cisowa, drängt in 12 stündigem Kampf Feind aus der vorderen verschanzten Stellung bis in die Höhe von Krzywca zurück. – Gegner vor Przemyśl passiv, sichert die Einschließung in befestigten Stellungen außerhalb des Geschützertrages.

            3. Armee. Gruppe Karg gelangte unter Sicherung bei Sóhát-Sóslak nach Révhely; Fmlt. Lehmann gingt mit der durch 8 Bataillone verstärkten 8. KTD gegen Czirókadfalu vor. Gruppe Krautwald, umfassend angegriffen, räumte nachmittags die Stellung bei Szinna und will halbwegs Homonna wieder Stellung nehmen. Beim VII. Korps rechter Flügel in schwerem Kampf; die übrigen Teile des Korps werden nicht bedrängt. – Rechter Flügel III. Korps andauernd von starker Überlegenheit angegriffen; linker Flügel schloss sich dem Angriffe der einen aus westlicher Richtung langsam Raum gewinnenden Division des IX. Korps an, dessen andere Division nach wie vor gegen Zmigrod deckt. 5. KTD Bartfa. Ist in Kaiser Bericht nach Gruppe Ljubičić  einzuschalten:

Da der Übergang starker Kräfte des über den untersten Dunajec vorgerückten russischen XXI. Korps über die Weichsel und Nordschiebung weiterer Teile der russischen 3. Armee zu vermuten sind, wurde Fmlt. Nikić angewiesen, am 23.11. unter Belassung einer bloßen Deckung an der unteren Raba alle verfügbaren Kräfte über die Weichsel zu dirigieren, um dort jenen feindlichen Angriff aus der Richtung der Nidzica Mündung abzuwehren.

            Ljubičić : 11. KTD bei Sucha, 6. Myslenice, 10. w. Rajbrot haben den Vormarsch des Südflügels der feindlichen 3. Armee zu verzögern und die eigenen Verbindungen zu sichern. Hauptkraft der Gruppe Ljubičić  mit Südflügel unverändert; am rechten Raba Ufer gegen Uscie Solne vorgehende Gruppe Nikić gewinnt in östlicher Richtung und längs der untersten Raba Raum. Belässt am 23.11. nur die zur Verteidigung seiner Stellung nötigen Kräfte am südlichen Weichsel Ufer und rückt mit der Hauptkraft (10 Bataillone) über den Fluss, um in den Kampf der Gruppe Křítek einzugreifen. Feind jedoch überall stark eingegraben; überdies Angriff aus dem Raum Zakliczyn zu erwarten.

            Hofmann. Panzerzug vertrieb nordöstlich Hawsko ein feindliches Detachement. Eigene Artillerie verhindert feindliches Vorgehen über Tucholka. Eigenes Detachement bei N. Rosztoka behauptet sich gegen feindlichen Angriff über Grenzkamm und von Tiha. In Havasköz schwächere feindliche Kräfte.

            4. Armee. 10h vm. XIV mit Teil bereits nördlich der Szerniawa, greift Makocice an; VI. hat starken Feind gegenüber, der alle Angriffsversuche abwies. 415 nm. XVII trachtet den östlichen Flügel des Gegners zu umfassen. Hat die Höhen unmitelbar nördlich der Szerniawa genommen. – Gefangene Russen sagen aus, dass die Offiziere bei Nacht die Truppe verlassen, um schlafen zu gehen. Daher morgen 3h vm.: allgemeiner Sturm. –

            Resümee für Kaiser Bericht:

            Bei der 4. Armee gewinnt die Gruppe Křítek unter Sicherung bei Koszyce gegen eine Bedrohung aus der Richtung der Nidzica-Mündung die Höhen südlich Gorzkow und weiterhin unmittelbar nördlich der Szerniawa bis nördlich Proszowice,  von wo die weitere Front der Armee im allgemeinen in der bisherigen Linie westwärts bis südlich Skala verläuft. 4. Armee hat in der jetzigen Schlacht etwa 7000 Gefangene gemacht und beabsichtigt für 22.11. 3h vorm., wo es angeht, zu stürmen, da viele Gefangene aussagten, dass sich die russischen Offiziere nachts aus der Front begeben und daher bei einem nächtlichen Angriff Regimenter gefangen genommen werden konnten.

            1. Armee: 1145 vm. X beginnt 6h vm. Angriff gegen Wielmoza; V. unverändert. Pilica wird gegen Mittag genommen.

            Für Kaiser Bericht Resümee:

            Während der südliche Armee Flügel, X. und V. Korps nur stellenweise näher an Feind herankommen, gelang in der Mitte der Armee, den Westteil Pilica zu nehmen, wobei 2400 Gefangene gemacht wurden. Von Pilica verläuft die Front über Siamoszyce und sodann dicht an der Straße nach Jaworznik, welcher bereits verlorene Ort von der Gres. Div. wieder genommen wurde. Das. 1. AK beabsichtigt, am 23. mit dem X und V Korps zu halten, den Angriff aus dem Raum von Siamoszyce aber in nördlicher Richtung fortzusetzen.

            Armee Woyrsch. 11 Uhr vm. Bis Koscielec unverändert; XII. greift – unter Sicherung am südlichen Warta Ufer gegen Norden Kruszyne an. IV. Korps mit 31. Division in Front Brzeznica-Dubidze mit 5-0-5/32 nördlich davon, mit Kavalleriekorps bei Struza greift mittags gegen Osten an.

            Resümee für Kaiser Bericht: Bei der Armee Woyrsch blieb die Lage bis Koscielec unverändert. Der Armeekommandant beabsichtigt, die starke Front der Garde Division auszunützen, um Kräfte nach Norden zu verschieben. Vereinzelte Stöße des XII. und IV. Korps führten zu keinem Ergebnis. Vom XII. Korps die südliche – 16. Division griff mittags Kruszyna an, die 35. musste aber vor starken Angriff Nachmittag zurückgehen. Mit Rücksicht auf die ungünstige Lage dieser Division unterließ auch das IV. Korps den auf Jedlno und Wiwice angesetzten Angriff. Für den 23.11. befahl G.d.I. defensiv Verhalten der ganzen Armee und beauftragte das Kavalleriekorps, die Verbindung zwischen dem nördlichen Flügel der Armee und dem Südflügel der 9. Armee herzustellen.

            9. Armee konnte den erhofften Sieg bei Łódź nicht erringen, da der Feind stärkere Kräfte als erwartet aus der Richtung Skierniewice einzusetzen und hiedurch die nordöstlich Łódź kämpfenden deutschen Korps im Rücken zu bedrohen vermochte. Die am Südflügel der 9. Armee kämpfende Division musste vor überlegenen auf Zelow-Buczek eingesetzten feindlichen Kräften weichen. An der übrigen deutschen Front kein durchschlagender Erfolg. Die bis Wola Rakowa-Rzgow-Tuszyn vorgedrungenen deutschen Kräfte mußten vor wiederholten aus westlicher Richtung geführten Angriffen zurückgenommen werden. Da weiters die vom Schlachtfeld von Osmolin gegen Süden in Marsch gesetzten Kräfte des deutschen 1. Reserve Korps das befestigte Lowicz nicht nehmen konnten, wurde somit weitere Fortschritte des nördlich Brzeziny die dort belassenen deutschen Kräfte angreifenden russischen Korps, sowie der Anmarsch einer von Skierniewice gegen Brzeziny vorgehenden russischen Division nicht verhindert. Unter diesen Verhältnissen dürfte es unvermeidlich sein, die Front der nordöstlich Łódź kämpfenden deutschen Korps zu verkehren, um nordwärts Luft zu machen und sodann die ganze Umfassungsgruppe – etwa in der Richtung Strykow – zurückzunehmen. Weitere Absicht, mit dem Gros der 9. Armee im Raum nordwestlich Łódź zu halten, bis die aus dem Westen im Antransport befindlichen Verstärkungen, von denen die Tete Staffel dreier neuer Divisionen am 22.11. bei Kempen-Schildberg-Ostrow ausgeladen werden, neuen Angriff ermöglichen. Vorgehen des deutschen 1. Reserve Korps drückt den Südflügel der bei Osmolin-Gabin kämpfenden russischen 2 Korps zurück und verhindert im Verein mit einem zwischen Weichsel und Gabin geführten Vorstoß der Festungs Reserve Thorn ein Abziehen feindlicher Kräfte gegen Lowicz. Russisches VI. Korps in Linie Nacpolks-Baboszewo zurückgegangen; deutsche 2. K.D. hinter den Grenzschutz Gruppen bis Sierpe nachgezogen. Festungsreserve Graudenz und 4. KD im Angriff gegen Ciechanow auf das turkestanische Korps. In Ostpreußen Umgruppierung russischer Kräfte, scheinbar für einen Durchbruch bei Darkehnen und zu einem Angriff auf Lötzen im Gange.

            Diese Meldung kam natürlich erst am 23. und ist hier wegen des Kaiser Berichtes eingefügt. Am 22. abends ist die Stimmung großartig. Auch ich glaubte fest an einen Erfolg der Deutschen; Freytag war abends beim Nachtmahl außerordentlich zuversichtlich, hoffte auf einen vollständigen Sieg. Ja die Deutschen wollten schon Champagner einkühlen lassen.

X
Tablet drehen