Einleitung

Der Erste Weltkrieg brachte für die medizinische Versorgung der Soldaten und  auch bei der Vorbeugung gegen Seuchen beachtliche Fortschritte. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass diese Maßnahmen nicht dem Wohlergehen der Betroffenen dienen sollten, sondern lediglich darauf ausgerichtet waren, die Verluste an „Menschenmaterial“ möglichst gering zu halten. Verwundete Soldaten sollten so rasch wie möglich wieder einsatzbereit sein und zurück an die Front geschickt werden.

Erstmals waren in diesem Krieg durch Kampfhandlungen höhere Verluste als durch Kriegsseuchen zu verzeichnen. Das war jedoch nicht auf die verbesserte medizinische Versorgung zurückzuführen, sondern muss als Ergebnis der ebenfalls bedeutend gesteigerten Wirksamkeit moderner Waffentechnik gesehen werden.

Die Ärzte der k. u. k. Armee waren gut ausgebildet und auf dem Stand ihrer Zeit, doch stellten sie Ausmaß und Art der durch die moderne Waffentechnik (Artilleriegeschosse) hervorgerufenen Verletzungen vor schwer zu bewältigende und teilweise neuartige Aufgaben. Schwerste Kopf- und Gesichtsverletzungen, die oftmals bis zur Unkenntlichkeit zerstörte, kaum mehr an ein menschliches Antlitz erinnernde Kreaturen zurückließen, durch Geschosse zerfetzte Körper, die Amputationen erforderten, mussten unter oft ungünstigen Bedingungen versorgt werden.

Traumatisierte, psychisch zerstörte Individuen, die angesichts der ihnen widerfahrenen Gräuel Tag und Nacht schrien oder nicht mehr aufhören konnten zu zittern, durften weder mit Hilfe und schon gar nicht mit Verständnis rechnen. Die menschenunwürdige „Behandlung“ reichte von Zwangsexerzieren bis zu äußerst schmerzhaften Elektroschocks, wobei auch Todesfälle in Kauf genommen wurden, um die vermeintlichen Simulanten mit Gewalt wieder einsatzfähig zu machen.

So erwies sich der Krieg mit bis dahin kaum zu behandelnden Gebrechen und  Verwundungen wie Kopf- und Bauchschüssen auch als Lehrmeister und großes Experimentierfeld mit einer enormen, sich fortlaufend erweiternden Anzahl von Versuchspersonen. Durch die Eingliederung von Ärzten und Patienten in die militärische Hierarchie war auch das rechtliche Verhältnis zwischen diesen ein grundlegend anderes als in Friedenszeiten – der Arzt bedurfte als Vorgesetzter bei der Anwendung therapeutischer Maßnahmen nicht der Einwilligung des Patienten.

Zu den 1.500 bei Kriegsbeginn zur Verfügung stehenden Militärärzten wurden unverzüglich die meisten Reserve- und landsturmpflichtigen Mediziner einberufen. Dennoch herrschte ein Mangel an Ärzten, die einzelnen Regimenter mussten mit deutlich weniger medizinischem Personal auskommen als vorgesehen. So kamen auf ein Infanterieregiment zumeist nicht fünf sondern  nur drei Mediziner und zumindest vorübergehend war häufig gar kein Arzt verfügbar.

Die Versorgung der Verwundeten war von der Front bis zur Verbringung in Spitäler und spitalsartige Einrichtungen im Hinterland durchorganisiert. In unmittelbarer Nähe zu den im Gefecht stehenden Truppen befanden sich Hilfsplätze, wo eine erste notdürftige Versorgung stattfand. Jede Division hatte einen Verbandsplatz zu errichten, der mit den Hilfsplätzen möglichst durch befahrbare Wege verbunden und in der Nähe der Hauptrückzugslinie dieser Division liegen sollte. Weitere Stationen stellten Feldmarodenhäuser oder bei schwerer Verwundung Feldspitäler und mobile Reservespitäler dar. „Permanente Krankenzüge“ besorgten schließlich unter oftmals entsetzlichen Bedingungen für die bereits durch ihre Verwundung schwer in Mitleidenschaft gezogenen Soldaten den Transport in „stabile“ Sanitätsanstalten.

Im Laufe des Krieges wuchs die Anzahl der Spitäler und vergleichbarer Einrichtungen auf 874 Anstalten mit etwa 95.000 Betten an, nachdem ursprünglich nur 191 Lazarette mit weniger als 17.000 Betten vorgesehen waren. Neben ausgebildeten Krankenschwestern waren vor allem Frauen ohne einschlägige Ausbildung als Helferinnen und Pflegerinnen  tätig.

Private Hilfsorganisationen wie das Roten Kreuz stellten sich mit ihrer Infrastruktur und den Hilfsmitteln in den Dienst der Versorgung und Pflege von Kranken und Verwundeten.

Die Behandlung der Verwundeten und die möglichst rasche Wiederherstellung ihrer Einsatzfähigkeit am Kriegsschauplatz hatten absoluten Vorrang und konnten auch für die zivile Krankenversorgung nicht ohne Folgen bleiben.

Der Ausbruch von Seuchen stellt in jedem Krieg eine latente Gefahr dar: Typhus, Cholera, Ruhr, Fleckfieber, Tuberkulose und ähnliche Krankheiten bedrohten ständig die Soldaten, die unter höchst ungünstigen hygienischen Verhältnisse leben mussten. Auch für die epidemologische und bakteriologische Forschung bot nun der Krieg reichlich Studienmaterial.

Durch die Einrichtung von Quarantänestationen und Epidemiespitälern in der Etappe konnte eine Ausbreitung ansteckender Seuchen auf die ganze Monarchie weitestgehend verhindert werden.

 

 

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