Streiks in Steyr September 1916

Steyr, eine oberösterreichische Kleinstadt mit 26.000 Einwohnern, war geprägt von der dort angesiedelten Metallindustrie, insbesondere durch Werke der Österreichischen Waffenfabriks-Gesellschaft, deren Beschäftigtenstand während des Krieges auf über 13.000 Arbeiter anwuchs. Weitere 4.000 Arbeiter kamen durch eine im Bau befindliche Autofabrik dazu und die Belegschaft der nahen Reithofer Werke umfasste noch einmal ca. 450 Männer und Frauen.

Im September 1916 verschlechterte sich in der österreichischen Reichshälfte die Lebensmittelversorgung, vor allem bei Brot und Mehl, worauf die Arbeiterschaft, die unter dem forcierten Arbeitsdruck durch das Kriegsleistungsgesetzes stand, mit Protestmaßnahmen reagierte. Der zwölfstündige Arbeitstag ließ ihnen beispielsweise keine Möglichkeit, in den langen Warteschlangen um Zuteilungen von Nahrungsmittel anzustehen.

Am 14. September demonstrierten 6.000 Arbeiter vor dem Rathaus am Stadtplatz in Steyr, nach der (erneuten) Zusicherung von Mehllieferungen durch Bürgermeister Gschaider schien sich die Lage bereits beruhigt zu haben. Die Demonstranten hatten den Stadtplatz aber noch nicht verlassen, als durch das Eintreffen einer Streikkolonne von Arbeitern der Reithofer Werke, unterstützt von Frauen und Kindern, die Situation zu eskalieren begann. Die Demonstranten warfen die Fenster des Rathauses ein und plünderten einige Verkaufsstände am Stadtplatz. Die städtische Sicherheitswache war gegenüber den Demonstranten machtlos und blieb passiv, sodass der Bürgermeister Militärassistenz anforderte.

Zwei Kompanien aus Einjährig-Freiwilligen gingen z.T. mit gefälltem Bajonett gegen die Protestierenden vor. Es gelang ihnen, die Innenstadt zu räumen und einzelne Barrikaden zu beseitigen. Die Auseinandersetzungen setzten sich aber bis in die Nacht fort.

Gleichzeitig wurde ein Batallion von Enns aus per Bahn in Marsch gesetzt und erreichte Steyr um ein Uhr früh. Ein weiteres Bataillon wurde aus Linz herbeordert.

Am 15. September wurde bei „Fortsetzung der Widersetzlichkeiten“ oder falls die Arbeit in den Betrieben nicht sofort wieder aufgenommen würde, die Verhängung des Standrechts angedroht.

Zur kurzfristigen Entspannung der Situation trugen dagegen zwei LKW-Züge mit Mehl bei, deren Fracht unter militärischer Bedeckung verteilt wurde.

Im Akt liegen insgesamt vier Berichte über die Ereignisse, darunter jener des Steyrer Bürgermeisters Gschaider und zwei des Inspizierenden des Militärkommandos in Linz, Generalmajor Baron Dürfeld. Im Gegensatz zum Bürgermeister sah er die Vorkommnisse weniger dramatisch und die Schuld für die Vorkommnisse zum größten Teil bei den Behörden, die es versäumt hätten, eine ausreichende Lebensmittelversorgung für die Arbeiterschaft, „im Allgemeinen lenkbar und gutmütig“, sicherzustellen.

Hindernisse für die Aufrechterhaltung der bestehenden Ordnung waren seiner Ansicht nach die aus allen Teilen der Monarchie zusammen gewürfelte Arbeiterschaft der im Bau befindlichen Autofabrik in Steyr sowie die Beispielswirkung der teilweise erfolgreichen Proteste für das zukünftige Auftreten der Arbeiterschaft gegenüber der Obrigkeit.

Bericht des Steyrer Bürgermeisters Gschaider vom 15. September 1916 an die Oberösterreichische Statthalterschaft über einen Streik der Arbeiter der Waffenfabrik

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Arbeiterunruhen in Steyr, Bericht des Generalmajors Baron Dürfeld vom 15.09.1916

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Assistenzbeistellung in Steyr Bericht

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Arbeiterunruhen in Steyr, Nachtragsbericht des Generalmajors Baron Dürfeld vom 17.09.1916

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Bericht des militärischen Leiters der Schiffswerft in Linz, am 18.01.1918

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