Stefan Zweig

In seiner Autobiographie Die Welt von Gestern, den grandiosen Erinnerungen eines Europäers, unterzieht Stefan Zweig die so unübersehbar zahlreichen, kriegsbegeisterten Intellektuellen, Philosophen, Ärzte, Priester aller Konfessionen und alle Länder einer fundamentalen Kritik – alle jene, „deren Vernunft, deren formende Kraft, deren menschliche Haltung wir vor einer Woche, vor einem Monat noch bewundert.“ In der ehrlichen, wenn auch unsinnigen Ekstase der ersten Kriegszeit wäre, wer am wildesten tobte, am lautesten gehört worden, „und so sangen und schrien sie hüben und drüben in wildem Chor.“

Ein Chor, in den einzustimmen Zweig selbst durchaus willens gewesen war. Auch wenn er sich nach Kriegsende zum stets überzeugten Pazifisten stilisieren sollte, war er zunächst in den Reihen jener zu finden, die am glühenden Patriotismus des August 1914 auch in ihrem veröffentlichen Schreiben teilhatten. Seine Feuilletons, die zu diesem Zeitpunkt in der Neuen Freien Presse publiziert wurden, sind voll von martialischem Enthusiasmus und deutschem Nationalismus: „Mit beiden Fäusten, nach rechts und links muß Deutschland jetzt zuschlagen, der doppelten Umklammerung seiner Gegner sich entwinden.“ Als sich französischsprachige Freunde wie Emile Verhaeren, der die Invasion seines Heimatlandes Belgien miterlebte, öffentlich gegen den „germanischen Sadismus“ engagierten, war Schluss mit der gemeinsamen europäischen Sache. Zweig verfasste im Oktober 1914 einen offenen Brief An die Freunde im Fremdland, in dem er für die Dauer des Kriegs den Abschied von den einst so engagiert verfochtenen kosmopolitischen Ideen und Idealen proklamierte. Wegbegleiter wie Romain Rolland, mit dem er weiterhin Korrespondenz pflegte, versuchten in heftiger Polemik, seinen geradezu überbordenden Kriegspatriotismus in die Schranken zu weisen. 

Noch fürchtete Zweig in jenen Tagen, selbst eingezogen zu werden, aber nach wenigen Wochen Grundausbildung versetzte man ihn in das Kriegsarchiv, wo er zum geistigen Zentrum der Literarischen Gruppe wurde, betraut u. a. mit der Zusammenstellung von Berichten über Soldaten, die für besondere Auszeichnungen vorgesehen waren – dem so genannten Heldenfrisieren. Ähnlich wie viele andere durchlebte Zweig ein Wechselbad der patriotischen Gefühle; schnell alternierend bestimmten gefälliger Nationalismus, simple Loyalität, tiefe Verzweiflung und zunehmender Kriegsekel seine geistige Haltung, bevor er sich in seinem literarischen Schaffen zu einem eindringlichen Mahner gegen den Krieg und Befürworter eines radikalen Pazifismus wandelte. 1915 begann er mit der Arbeit am Drama Jeremias, das im Februar 1918 in Zürich uraufgeführt wurde und als biblisch verkleidetes Antikriegsdrama großes Aufsehen erregte.

Stefan Zweig über die Begriffe „subversive Elemente“ und „seriös“

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Militärlaufbahn Stefan Zweig

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