Conrad von Hötzendorf und das AOK

Der am 11. November 1852 in Penzing bei Wien geborene Franz Conrad von Hötzendorf absolvierte die Wiener Neustädter Militärakademie und die Kriegsschule (Generalstabsakademie) in Wien. Seine Karriere, die ihn über die Masse seiner Berufskollegen weit hinausheben sollte, brachte ihm frühe Kriegserfahrungen in Bosnien und Dalmatien, aber auch unterschiedliche Verwendungen im Generalstab und schließlich als Regimentskommandant in Troppau. In die Generalscharge aufgestiegen, war er 1899 bis 1903 Brigadekommandant in Triest und 1903-1906 Divisionskommandant in Innsbruck. Das Erleben des Grenzlandes und des italienischen Irredentismus, der von jenseits der Grenze rückhaltlose Unterstützung fand, war gewiss eine prägende Erfahrung für Conrad, der fortan die Vorbereitung auf einen künftigen Krieg gegen Italien als seine Lebensaufgabe empfand. Dem breiteren militärischen Publikum wurde Conrad durch Publikationen bekannt, die sich den Auswirkungen des Geländes auf die Taktik widmeten, wobei er die Schlachtfelder der jüngsten europäischen Kriege bereiste und zeichnete, vor allem den Deutsch–französischen Krieg von 1870/71 analysierte und schließlich Taktiklehrbücher erscheinen ließ, die mehrere Auflagen erlebten. 

Der Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand setzte es durch, dass Conrad als sein Kandidat am 18. November 1906 zum Chef des Generalstabs ernannt wurde. Als neuer, eben erst sich etablierender Generalstabschef verstörte Conrad Anfang April 1907 seinen Kaiser, als er für 1908 – nach Einführung einer modernen Feldkanone – einen Präventivkrieg gegen Italien empfahl, eine Denkunmöglichkeit, die Conrads Vorgänger Beck in 25 Jahren als Generalstabschef sich nicht erlaubt hatte. Conrad ließ in der Folge nicht ab von seiner Forderung und stellte auch seine nun einsetzenden Bemühungen um die Modernisierung und den Ausbau des Heeres, den Bau von Befestigungen und den Neubau sowie die Leistungssteigerung von Bahnlinien vor allem auf den so sehnsüchtig angestrebten Krieg gegen Italien ab. 

Dies änderte sich ab Herbst 1908 mit der bosnischen Annexionskrise, die Conrads Hauptaugenmerk auf den Balkan lenkte und ihn einen Krieg gegen Serbien fordern ließ, um es – in günstiger außenpolitischer Situation - ein für alle Mal aus dem Feld zu schlagen. Mit seiner nachdrücklichen Einmengung in die Außenpolitik und seinen vehementen Forderungen nach materiellem und vor allem personellen Ausbau der österreichisch-ungarischen Streitkräfte stand Conrad von Beginn an im scharfem Gegensatz zu Außenminister Aehrenthal und Kriegsminister Schönaich. Aber auch das Verhältnis zum Erzherzog-Thronfolger war einem fortschreitendem Abkühlungsprozess unterworfen. 1911 hatte sich Italien in Libyen in ein militärisches Abenteuer gestürzt, was Conrad veranlasste, verstärkt zu einem Präventivschlag gegen den anderweitig engagierten Nachbarn zu drängen. Außenminister Aehrenthal konnte Conrads am 3. Dezember 1911 erfolgende Enthebung als Erfolg buchen.

Nach dem bald darauf erfolgten Tod Aehrenthals wurde die Wiedereinsetzung Conrads als Generalstabschef am 12. Dezember 1912 durchaus als außenpolitisches Signal für den Durchsetzungswillen und die Kriegsbereitschaft Österreich-Ungarns angesichts der sich in diesem Jahr zuspitzenden außenpolitischen Entwicklung gewertet. Doch der Thronfolger hatte sich dazu entschlossen, außenpolitische Wagnisse frühestens nach einer innenpolitischen Konsolidierung – also wohl geraume Zeit nach der eigenen Thronbesteigung  - einzugehen. In der Folge verschlechterte sich das Verhältnis zwischen Thronfolger und Generalstabschef derart, dass es das Attentat von Sarajevo war, das der wohl unmittelbar bevorstehenden Abberufung Conrads zuvorkam. 

Nach dem Thronfolgermord war Conrad der lauteste Rufer nach einem Militärschlag gegen Serbien, obwohl er sich bewusst war, dass sich in den letzten Jahren die bündnispolitische und militärische Situation zu Ungunsten Österreich-Ungarns entwickelt hatte. Nach Kriegsbeginn 1914 sagte Conrad: „Im Jahre 1908/09 wäre es ein Spiel mit aufgelegten Karten gewesen, 1912/13 noch ein Spiel mit Chancen, jetzt ist es ein va banque.“ Der Diplomatie warf Conrad vor, dass es ihr nicht gelungen sei, den Konflikt auf Serbien zu lokalisieren und damit eine Konstellation zu sichern, die Conrad einen gewinnbaren Krieg ermöglicht hätte. 

Doch das militärische Potential Österreich-Ungarns war viel zu gering für die Aufgaben des Mehrfrontenkrieges, vor die sich Conrad 1914 gestellt sah. Angesichts der unterlegenen Zahl der ihm zur Verfügung stehenden Truppenverbände suchte Conrad das Heil in rücksichtloser Offensive, doch weder gelang die von der Öffentlichkeit so geforderte rasche Niederwerfung Serbiens, noch vermochten es die k.u.k. Armeen, Russland einen nachhaltigen Schlag zu versetzen. Die allgemein geteilte Erwartung eines kurzen Krieges erfüllte sich nicht, und Ende 1914 waren die k.u.k. Truppen abermals aus Serbien herausgeworfen, während sie sich in Galizien und in den Karpaten in immer engerem Verband mit den deutschen Truppen den Anstürmen des russischen Heeres entgegen stemmten.

Dass ein Krieg gegen Russland nur geführt werden konnte, wenn das Deutsche Reich die Hauptlast tragen würde, war von Beginn an klar, doch es war nicht zuletzt die uneinsichtige Eitelkeit Conrads, die eine einheitlichere Kriegführung der Mittelmächte lediglich in Zeiten der Bedrängnis Österreich-Ungarns zuließen. Dies führte auch zu manchem Erfolg (Gorlice 1915, Rumänien 1916), doch dazwischen unternahmen die militärischen Führer der beiden Bündnispartner Alleingänge, wobei vor allem Conrad die Realisierung seiner bestechenden strategischen Entwürfe immer wieder durch die von ihm völlig unrealistisch eingeschätzte Leistungsfähigkeit der eigenen Truppen durchkreuzt sah. Dies musste Conrad anlässlich des Feldzugs von Rowno 1915, sowie 1916 beim Fehlschlagen der Südtiroloffensive und der durch die Brussilowoffensive hervorgerufenen Krise erleben. 

Conrad hätte eigentlich in Kaiser Karl, der auch die inzwischen eingetretene deutsche Vorherrschaft abschütteln wollte, einen Verbündeten finden können, doch waren die Zielsetzungen Conrads, der weiterhin den Gedanken an einen „Siegfrieden“ nicht aufgeben wollte, und des jungen Kaisers zu unterschiedlich. Schließlich wurde der am 25. November 1916 zum Feldmarschall ernannte Conrad als Repräsentant des alten Systems am 1. März 1917 von Kaiser Karl enthoben und an seine „Lieblingsfront“ Tirol abgeschoben. Zwei weitere Male nach dem Mai 1916, nunmehr im Herbst 1917 und im Juni 1918, erlebte Conrad hier das Scheitern seiner bevorzugten – aber beileibe nicht besten – Idee, des Stoßes aus Südtirol in den Rücken der nunmehr am Piave stehenden italienischen Front. 

Solchermaßen glücklos geblieben wurde Conrad am 15. Juli 1918 endgültig vom Kommando enthoben. Bis zu seinem am 25. August 1925 in Bad Mergentheim erfolgten Tod konnte er seinen Ruhestand an der Seite seiner zweiten Frau Gina, geborene Agujari und geschiedene Reininghaus, genießen. Das Zustandekommen dieser Verbindung mit einer zuerst noch verheirateten, dann geschiedenen Frau, mit der er in Teschen, dem Standort des Armeeoberkommandos, als Langzeitflitterwöchner gelebt hatte, war in weiten Kreisen auf Kritik gestoßen und wurde daher von den Hagiographen des Feldmarschalls weitestgehend ausgeblendet. Hatte schon Conrad in seinen Memoiren und anderen Publikationen daran gearbeitet, seinem Anteil am Weltkrieg ein möglichst positives Bild zu verleihen, so war es den ehemaligen Offizieren fast durchgängig ein zentrales Anliegen, die Ehre einer zum Scheitern verurteilten Armee in der Person Conrads hochzuhalten.

Brief Ludendorff an Conrad 2.3.1915 betreffend die laufenden Operationen und das notwendige Nachgeben Österreich-Ungarns gegenüber den italienischen Forderungen

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Telegramme Potioreks (17.11.1914) Hindenburgs (30.11.1914, hier fälschlich mit 30.11.1917 beschriftet) an Conrad.

Telegramme öffnen (3)

Karikaturen verschiedener Mitarbeiter des Armeeoberkommandos

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Ernennung Franz Freiherr Conrad von Hötzendorfs zum Generaloberst 23.6.1915

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Belohnungsantrag für Oberstleutnant Karl Schneller, der Operationsabteilung des AOK, 23.4.1917

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Vom Armeeoberkommando am 18.1.1918 verfügte Neuregelung der Kriegsgebiete

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Kaiser Karl enthebt Conrad vom Posten eines Heeresgruppenkommandanten, bei gleichzeitiger Ernennung zum Obersten aller Leibgarden und Erhebung in den erblichen Grafenstand, 15.7.1918

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