1915 Karpatenschlachten

Ähnlich wie die wolhynischen Sümpfe (Pripjet) wurden die Karpaten in den militärgeographischen Handbüchern der Vorkriegszeit als „Durchzugsland“ beschrieben, als Terrain, das größere Operationen oder Kampfhandlungen ausschließen würde. Der Weltkrieg aber zeitigte Schlachten höchster Intensität von den Ausläufern des Pripjet bis zu den Alpen. Was die Karpaten angeht, waren diese von Kriegsbeginn bis 1917 Kriegsschauplatz und prägten sich als Kampfterrain vor allem durch die von Jänner bis April 1915 andauernden heftigen Schlachten ein. 

Die deutsche Heeresleitung ließ sich um die Jahreswende 1914/15 von Conrad davon überzeugen, dass von den Möglichkeiten einer gemeinsamen Operation jene die günstigste sei, die zugleich das seit 8. November 1914 von den Russen eingeschlossene Przemysl zu befreien versprach. Die propagandistische Wirkung des Falls von Przemysl vor Augen wurden in der Folge immer neue Verbände zum Einsatz gebracht, so dass schließlich der größere Teil der österreichisch-ungarischen Truppen die kollektive Erfahrung der Gräuel des Karpatenwinters teilte. 

Für den operativen Misserfolg der von 23. Jänner 1915 bis in die zweite Aprilhälfte andauernden hin- und herwogenden Kämpfe verantwortlich war gewiss eine Unterschätzung des Terrains und der zu erwartenden Wetterbedingungen, die nicht nur  das Vorantragen einer Offensive behinderten und den Gegnern mannigfaltige Möglichkeiten zur gegenseitigen Umgehung und daraus resultierender Neutralisierung bot. Die Wegearmut des Gebirges und die Wetterverhältnisse hinderten aber auch ganz wesentlich den Nachschub an Munition und Lebensmitteln. Das Gelände selbst bot faktisch keinerlei Ressourcen, die hungernden Pferde fraßen die Strohdächer von den wenigen Behausungen, die bei der dünnen Besiedlung keineswegs ausreichten, um den Truppen wenigstens heizbare und trockene Quartiere zu verschaffen.

Die häufig als vollkommen verfehlt angesehene Operation wurde allerdings nicht nur – nach anfänglichen Zweifeln über die Gebirgstauglichkeit der eigenen Truppen – vom deutschen Verbündeten nachdrücklich unterstützt, sondern der Gedanke, quer über das Gebirge zu stoßen, war gleichzeitig von der russischen Führung aufgegriffen worden. Schon am 27. Jänner 1915 trafen die verbündeten Angreifer auf die fast gleichzeitig gestartete Offensive der Armee Brussilows. Das Ziel der russischen Angriffspläne war noch engagierter und beinhaltete nichts Geringeres als den Durchbruch ins ungarische Becken, wovon man sich im günstigsten Fall das Zusammenbrechen des Kriegswillens Österreich-Ungarns versprach. 

Die Verluste des Karpatenwinters waren enorm, wobei die Ausfälle durch Erschöpfung, Erfrierung und Krankheit jene durch eigentliche Kampfeinwirkung weit übersteigen konnten. Insgesamt schätzt man die Verluste der österreichisch-ungarischen Truppen einschließlich der Besatzung von Przemysl auf nahezu 800.000 Mann. Auf russischer Seite weisen die offiziellen Verlustlisten  eine Zahl von 1,200.000 Mann aus, doch existieren Schätzungen, die von weit über 1,500.000 Mann an Verlusten ausgehen. Ein Aderlass, der auch als eine Hauptursache für den Anfang Mai 1915 einsetzenden großen Rückzug des Zarenheeres angesehen wird.

Infanterie in einem Schützengraben der Waldkarpaten

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