Einleitung

Nicht nur für den Ersten Weltkrieg gilt, dass für die militärische Führung aller Ebenen ein zutreffendes Bild der „Feindlage“ und ein Erkennen der gegnerischen Absichten eine wesentliche Grundlage für alle strategischen und taktischen Maßnahmen darstellen. War eine möglichst zutreffende Kenntnis der „Feindlage“ unabdingbare Voraussetzung für Defensiv- und Offensivmaßnahmen, so konnten Erkenntnisse über die Absichten des Gegners einem der beiden Kontrahenten sogar den oft schlachtentscheidenden Faktor „Überraschung“ in die Hand geben.

Hinsichtlich der Feindaufklärung brachten schon die ersten Feldzugstage 1914 eine ernüchternde Überraschung. Traditionelles Instrument der Aufklärung war die Reiterwaffe, die im August 1914 ebenso tatendurstig wie zuversichtlich ihre Aufgabe in Angriff genommen hatte, schließlich aber vollkommen versagte. Die ausgesendeten Kavallerieverbände vermochten auch gegen relativ dünne Schleier modern ausgerüsteter Infanterie nicht durchzudringen und die österreichisch-ungarischen Reiterpatrouillen mussten es erleben, selbst von russischen Kosaken, die einfach vom Pferd stiegen und nach Art der Infanteristen ein Feuergefecht eröffneten, abgewiesen zu werden. Zugleich mühte sich die noch junge Luftfahrtruppe redlich, doch angesichts der geringen Anzahl an unzuverlässigen Flugzeugen mit nur dürftigem Erfolg ab, den Ausfall der Kavallerie zu kompensieren.

Doch bald fand sich ein Mittel zur Aufklärung, in dessen Gebrauch die österreichisch-ungarische Armee es zu beachtlicher Meisterschaft brachte, gewissermaßen der erste moderne „Lauschangriff“. Dem Erfolg leistete der Umstand Vorschub, dass die russische Führung angesichts der gewaltigen Entfernungen im eigenen Operationsgebiet von der neuen Funktechnik als Kommunikationsmittel intensiven Gebrauch machte. Bald wurde man sich der Tatsache bewusst, dass das Mithören des feindlichen Funkverkehrs – der „Radiohorchdienst“ - und das rasche Knacken immer raffinierterer Verschlüsselungen zu einem Kriegsmittel geworden war, das auf strategischem Gebiet gerade für die zahlenmäßig so unterlegenen Verbündeten förmlich ganze Armeen ersetzte.

Auf taktischer Eben galt dasselbe für das Anzapfen des drahtgebundenen Telephonverkehrs, was speziell im Stellungskrieg in Hinblick auf Lage und Absichten des Gegners bald den Wert der Gefangenenaussagen weit übertreffen sollte.

Natürlich traten bald auch die gegnerischen Fernmeldetruppen ein in den Wettstreit um immer ausgeklügeltere Methoden und größere Erfolge beim Belauschen des Feindes. Umso mehr Gewicht gewannen die Maßnahmen, um sich selbst durch Codewörter, Chiffrierungen und technische Vorkehrungen vor Ausspähung zu sichern. Gleichzeitig erlebte die Luftaufklärung hinsichtlich der technischen Leistungsfähigkeit der Flugzeuge, Luftbildkameras und Auswertungsmethoden gewaltige Fortschritte.

 

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