Otto Bauer

Otto Bauer, Sohn eines bedeutenden liberalen Textilindustriellen, studierte Staatswissenschaften und Nationalökonomie, ehe er an der Seite seines Mentors Victor Adler eine steile politische Karriere durchlief und mit einer epochalen Studie zur Nationalitätenproblematik binnen kurzem in die erste Reihe der Theoretiker der Sozialistischen Internationale aufstieg. Seit 1909 Leutnant der Reserve, wurde er an die Ostfront beordert, wo er unter anderem Ende August 1914 in der schweren zweiten Schlacht um Lemberg, bei Grodek, an vorderster Front zum Einsatz kam. 

Am 8. Dezember 1914 wird Bauer in Anerkennung seines tapferen Verhaltens im Gefecht bei Szysakj am 4. September mit dem Militärdienstkreuz 3. Klasse ausgezeichnet. Zum Zeitpunkt der Verleihung ist er bereits in Kriegsgefangenschaft geraten – als einer von letztlich 54.146 Offizieren der habsburgischen Streitmacht. Wie sein militärischer Vorgesetzter handschriftlich notierte, war Bauer „mit übergroßer Schneidigkeit“ gegen die russischen Stellungen vorgegangen: „Ein sehr braver Offizier“.  

In einem großen Gefangenentransport ging es in zehn Tage lang währenden Fußmärschen nach Nova Alexandria und von dort per Bahn über Lublin und Minsk nach Smolensk. Anfangs Jänner 1915 schließlich wird, nach weiteren, an die körperlichen Leistungsgrenzen rührenden Fußmärschen und Bahntransporten, das sibirische, 28.000 Mann fassende und nördlich des Baikalsees gelegene Militärlager Berezovka erreicht, wo er bis in den Herbst dieses Jahres interniert bleiben sollte. Es folgt die Verlegung in das an der Seidenstraße, nächst der mongolischen Grenze gelegene Kriegsgefangenenlager Troizkosawsk, wo Bauer eine theoretisch-politsche Arbeit fertig stellt. Es war ihm offensichtlich um ein auf die kommenden revolutionären Umbrüche anwendbares theoretisches Instrumentarium zu tun; denn ein europäischer Krieg dieser Dimension müsse notwendigerweise in einen Zyklus sozialer und nationaler Revolutionen umschlagen.  

Im Juli 1917 befiehlt das Kriegsministerium seine Überstellung nach Petrograd, wo er in engen Kontakt mit prominenten Menschewiki tritt und eine gewisse Bewegungsfreiheit genießt. Das Vorfeld der Oktoberrevolution durchlebt er auf diese Weise unmittelbar, hautnah, am Puls der Zeit, dem forcierten Putschismus der Bolschewiki begegnet er mit großer Skepsis. „Der Aberglaube der Jakobiner an die Allmacht der Guillotine“ so wird er an Karl Kautsky schreiben, „ist in Petersburg wiedererstanden als Aberglaube an die Allmacht der Maschinengewehre.“ 

Schließlich wird seine vorzeitige Rückkehr im Rahmen eines erweiterten Invalidenaustausches zwischen Russland und den Mittelmächten arrangiert; verschiedentlich waren in der russischen Presse bereits Spionagevorwürfe aufgetaucht. Im Oktober 1917 wird der Oberleutnant Dr. Otto Bauer als Nationalökonom der Kriegswirtschaftlichen Abteilung des Wiener Kriegsministeriums zugeteilt, im März 1918 für seine Tätigkeit in der Arbeiter-Zeitung beurlaubt, Anfang August auf unbestimmte Zeit vom Dienst entbunden. Ein gegen ihn angestrengtes Rechtfertigungsverfahren vor dem Offiziersehrenrat wird Ende August mit der Begründung niedergeschlagen, dass er ein unleugbarer Gegner der bolschewistischen Tendenz sei und ihm die Vorbereitung der Aufstände der Wiener industriellen Arbeiterschaft im Jänner 1918 nicht nachgewiesen werden könne. Formell endet Bauers Dienstleistung im Kriegsministerium am 31. Oktober 1918, am 21. November folgt er dem einen Tag vor Ausrufung der Republik verstorbenen Victor Adler als Staatssekretär (i. e. Minister) im Deutschösterreichischen Außenamt nach.

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